Kleine Gleisbaugeschichte

Geführte Wagen waren keine Erfindung der Neuzeit. Schon die Römer bauten Wege, in denen breite Rillen eingearbeitet waren. Jedoch begann der Schienenbau mit Beginn der Industrialisierung seinen Siegeszug. So wurden hölzerne Geleise zur Lenkung von Loren verwendet, z.B. im Kohlenbergbau beginnend in Gross-Britannien.

Die Kohleförderung ist in engem Zusammenhang mit der Eisenerzgewinnung zu sehen. So wurden in England als erstes metallene Wagenführungen verwendet, und die Verlegung der Schienen auf Steinwürfeln. Relikte aus dieser Zeit sind heute noch zu anzutreffen. Im Eisenbahn Magazin, Ausgabe xxx, kann ein Abriss darüber nachgelesen werden.

Als in Bayern 1835 die erste kommerzielle Eisenbahn gebaut wurde - ein Modell wurde ja zur Erbauung und Zeitvertreib des Bayerischen Hofes im Schloss Nymphenburg zu München einige Jahre zuvor aufgebaut, um den König zu begeistern und Sponsorengelder zu ergattern - kam der Englischen Tradition entsprechend der Steinwürfel Unterbau zur Anwendung. Eine Querfixierung wie die der heutigen Schwellen gab es nicht. Allein auf den Halt im Untergrund waren die Steinwürfel angewiesen. In die Steinwürfel wurden Löscher gebort und mit Holzdübeln ausgefüllt, darauf gusseiserne Schienenstühle aufgenagelt. In diesen ruhte dann das Geleise, mittels eines hölzernen oder eisernen Keils fixiert.

Die dazugehörigen Weichen waren noch sehr einfach gehalten. Zur Ablenkung wurden schlicht die Schienen in den Abzweig herumgehoben. Wenn der Lokführer nicht aufpasste, oder besser der Wechselwärter, so dass bei befahren vom Herzstück her das Abzweiggleis richtig lag, rollte die Lok für ein paar Fuss (Meter gab es damals noch nicht) über Steinwürfeln und Sand. So rau wie damit das Material geschädigt wurde, war auch die Fahrt der Wagen. Doch dazu später mehr.

Der Betrieb der Ludwigsbahn Nürnberg - Führt war ein voller kommerzieller Erfolg, der für die Aktionäre hohe Dividenden abwarfen. Diesen Erfolg versuchte Maffei für eine Eisenbahnlinien zwischen München und Augsburg zu wiederholen. Auch hier kamen wieder der Steinwürfelunterbau zum Tragen, nur durch das feuchte Haspelmoor legte man auch hölzerne Querschwellen, bis der Unterbau sich gut verfestigt hatte und über Brücken. Die Weichen waren wahrscheinlich schon Schleppweichen und per Stellbock verstellbar, aber bei Falschstellung rollte der Zug vom Gleis. Nun, dass nahm man wohl in Kauf, war die Zugfolge noch gering.

Im Rahmen des Baues der Ludwigs-Süd-Nord-Bahn 1846 - 1858 wurde man experimentierfreudiger - das lag wohl an Geheimrat Pauli (er gab richtungsweisende Vorschriften bezüglich Normierung von Lokomotivteilen, er erfand den sogenannten Pauli-Fischbauchträger. Siehe z.B. die alte Großhesseloher Brücke bei München). So wurde für die engen Radien durch das Fichtelgebirge hölzerne Querschwellen verwendet, um den Gleisabstand besser beizubehalten (Holzschwellen wurden erst dann robuster, als man sie imprägnieren konnte. Deshalb bevorzugte man zunächst den Steinwürfeloberbau). In Bayern wurden 1844 bereits Zungenweichen gebaut, mit ungleich langen Zungen. Diese Bauweise wurde dann 1850 beim Treffen der Techniker der deutschen Länderbahnen als Empfehlung ausgesprochen. Diese Art der Weichen war bereits sehr entgleisungssicher, im Gegensatz zu anderen Länderbahnen, die Schleppweichen verschiedenster Art bevorzugten oder verbesserte Nachfolger konstruierten. Ein solche Weiche ist unten dargestellt, eiseren Gestelle lenkten den Zug in den Abzweigen durch Druck gegen die Radinnenseite.

Kam der Zug von der verkehrten Seite, so waren an dem Gestell eiserne Keile zum Aufkranzen aufmontiert, so dass der Zug über das falsch gestellte Gleis hinüber rollen konnte (das Bild zeigt die Ausweiche der Magdeburg-Leipziger Bahn). Ein hartes Vergnügen, das sicherlich nicht vollständig unbeschadet von statten ging. Die Weichen wurden vermutlicherweise auf Steinwürfeln gebaut, mit Ausnahme des Abzweigbereiches, um den Schienenabstand besser beizubehalten. Das Weichen in Bayern auf Steinwürfeln gebaut wurden ist zwar eine Vermutung, aber den Abdruck eines Herzstücks auf einem Steinwürfel kann man heute noch im Bahnhof Pfarrkirchen, östlich der Güterrampe, entlang des Fusswegs in Augenschein nehmen. Dort befestigt ein ansehnliche Ansammlung von Steinwürfeln die Böschung zur Güterrampe und Viehrampe, die heute nicht mehr in Betrieb ist (überhaupt ist der Bahnhof Pfarrkirchen noch von anderer Seite interessant, gibt es doch dort noch eine alte bayerische Schwenkbühne von etwa 6 Metern länge, die leider von Jahr zu Jahr mehr verkommt- welches Museum nimmt sich seiner an?).

Welche Ansätze gab es noch? Nun, bis zur ersten modernen Weiche mit gleichlangen Zungen mit Unterschnitt der Backen wie wir sie heute kennen, wurde mit der Stevenson-Weiche experimentiert. Diese hatte eine Zunge, mit zwei Aufgaben: für die Leitung in das gerade Geleis, führte sie den Spurkranz der Räder von außen, zur Ablenkung führte sie die Radscheibe von innen. Dabei dürfte sie starken Kräften ausgesetzt gewesen sein. Heute stützt sich die Zunge an den Backenschienen ab, bei der Führung der Radscheibe gibt es diese aber nicht. Die Stephensonweiche dürfte nur in England zur Anwendung gekommen sein. Interessanterweise ist die bayerische Weiche der der Stephensonweiche sehr ähnlich: anstatt der starren Zunge in der Höhe der Radlenker war diese in bayern beweglich ausgeführt.

Auch zu Beginn der Eisenbahn Zeit wurde schon festgestellt, dass die Räder im Herzstückbereich einen Schlag bekommen und dadurch unruhig Laufen. Hier wurde schon Experimentiert mit Herzstückwangen, die sich je nach Stellung der Zunge und die Herzstückspitze anschmiegen. Bei den heutigen Hochgeschwindigkeitsweichen ist es gerade umgekehrt: die Herzstückspitze schmiegt sich an die Wange an. Das Beispiel unten stammt von der Magdeburg-Wittener Eisenbahn.

Schlussendlich wurde im Jahre 1853 von der Hannoverschen Staatsbahn die erste moderne Zungenweiche eingeführt mit wie bereits erwhnt gleichlangen Zungen und Unterschlag. Der Siegeszug diese Konstruktion war nicht aufzuhalten.

Was waren eigentlich die Entwurfsprinzipien der Weichen von beginn bis jetzt? Zunächst war die ablenkende Zunge und die ablenkende Backe gerade in einem kleinem Winkel ausgeführt. Daran schloss sich ein Kurvenstück an, dass vor dem Herzstück endete. Mit Einführung des Schienenprofils IX im Jahre 1891 war die kurvenäußere Zunge gebogen, in einem Radius größer als der Kurvenradius der Weiche. Die ablenkende Backe war dabei noch ein Polygonzug. Das vereinfachte das Schmieden der inneren Zungenform, sie war damit ein spitzes Trapez. Wohl erst mit Einführung der Reichsbahnweiche mit dem Schienenprofil S49 wurde die abzweigende Kurve der Weiche auch durch das Herzstück gelegt. Damit konnten Weichen steiler gebaut werden, also bei beengten Platzverhältnissen eingesetzt.



Im nächsten Abschnitt wird authentisch die Erfahrung der Königlich Bayerischen Staatseisenbahn im frühen Gleisbau beschrieben. Viel Spaß.


Die Geleise der Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen


Über den Gleisbau der Zeit der Ludwigs-Süd-Nord-Bahn liegen mir ein paar Dokumente vor, von denen ich nun berichten will. Beginnen wir mit dem "Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens IX. Band":

"Das Schienensystem auf den Bayerischen Staatseisenbahnen ist kein durchgehend gleiches, sondern es liegen theils:

a. einköpfige Stuhlschienen von 16 Fuss Länge und 14,5 Zollpfund Schwere per lauf. Fuß auf 4 Mittel und einer Stoßschwelle, in Stühlen, jede Schiene mit 5 Keilen befestigt. (Auf der München - Augsburger Bahn)

b. doppelköpfige Stuhlschienen, stumpf abgeschnitten, 16 Fuß lang und 14 Zollpfund per lauf. Fuß schwer,

c. desgleichen mit Auslappungen, 17,34 Fuß lang und 14 Zollpfund schwer per lauf. Fuß.

d. doppelköpfige Stuhlschienen mit einem großen und einem kleinen Kopfe, dann verstärkter Auslappungen, 14,43 Fuß lang und 16,16 Zollpfund per lauf. Fuß schwer,

welche sämtlich auf 5 Mittel- und 1 Stoßschwelle, 5 gußeisernen Mittel- und 1 Stoßstuhle ruhen oder auf Steinwürfel befestigt sind, theils

e. breitbasige, sog. Vignolesschienen mit Laschenverbindung, 21,47 Zollpfund per lauf. Fuß schwer und 19,17 bayer. Fuß lang.

Jede dieser Schienen hat an den Stößen je 2 schmiedeeiserne, durch 4 Schraubenbolzen zusammengehaltene Laschen, ruht ferner auf 2 gußeisernen Plattstühlen, welche durch einen geraden und gewundenen Nagel auf der Schwelle befestigt sind, und auf 6 Zwischenschwellen. Als Schienenunterlage sind auf den bayerischen Bahnen ca. 280.000 Sandstein- und Granitwürfel benutzt, bei den neueren Bahnstrecken werden Querschwellen aus imprägniertem Föhrenholz angewendet"

So, was heißt dass denn nun alles, Stuhlschienen mit Auslappungen, doppelköpfig Stuhlschienen, Vignolesschienen, gusseiserne Plattstühle? Und gab es etwa noch andere "Fuß" als das des englischen Maßes?

Für einen Überblick werfen wir zunächst einen Blick in »Marggraff: Die Kgl. Bayerischen Staatseisenbahnen in geschichtlicher und statistischer Beziehung«. Tiefer ins Detail geht mit seinem Werk »A. Haarman: Über das Eisenbahngeleise«, der über die Versuche der Kgl. Bayerischen Staatsbahn berichtet, die sehr hohe Abnutzung der Geleise in den Griff zu bekommen. Wer noch tiefer in der Geleisebau der frühen Königlich Bayerische Staatsbahn eintauchen möchte, dem sei der dreiteilige Bericht von H. Reuße, Kurf. Hess. Baukonstrukteur aus der Eisenbahnzeitung empfohlen. Damit soll das Thema erschöpfend beleuchtet worden sein.

Zum Herunterladen von Zeichnungen bayerischer Weichen, Kreuzungen und Geleisen bitte hier lang.