Eisenbahn Zeitung


Eisenbahnzeitung No. 23    Stuttgart, 8. Juni    1845


Bayerische Staats-Eisenbahnen
(Mitgeteilt von H. Reuße, Kurf. Hess. Baukonstrukteur)

Unter den deutschen Staaten gebührt Bayern das Verdienst, die erste für Lokomotiven eingerichtete Eisenbahn- die Nürnberg-Fürther - zu Stande gebracht und im Dezember 1835 dem Betrieb übergeben zu haben, ein Unternehmern, welches durch seinen glänzenden Erfolg Deutschland den Impuls zu größeren Unternehmungen dieser Art gegeben hat.

Kurz nach der Eröffnung der Nürnberg-Fürther Bahn ging von den Unternehmern derselben die erste Anregung zum Bau einer Eisenbahn von Nürnberg über Bamberg und Hof bis zur nördlichen Reichsgrenze in der Richtung nach Leipzig aus. Sie stellten schon im Januar 1836 an die bayerische Staatsregierung die Bitte, "um Genehmigung zur Bildung einer Akziengesellschaft für die Herstellung einer Eisenbahn von Nürnberg an die nördliche Reichsgrenze," und schon am 11. Februar wurde diese Bitte mit dem Beifügen genehmigt, dass die nöthigen Vorarbeiten auf Staatskosten vorgenommen werden sollten. Im Dezember des selben Jahres waren die vorläufigen Nivellements bis an die Reichsgrenze jenseits Hof vollendet, und der summarische Kostenanschlag auf 8 Millionen Gulden berechnet.

Um jedoch noch festere Anhaltspunkte für die Ausführung zu gewinnen, wurden im Laufe des folgenden Jahres spezielle Nivellements und Kostenanschläge auf Rechnung der Unternehmer angefertigt und eine Akziengesellschaft gebildet, welche im Dezember 1837, die allerhöchste Genehmigung erhielt.

Indessen erfolgten von der Regierung mehrere, die ferneren Schritte der Akziengesellschft erschwerenden Bestimmung, welche nicht nur den weiteren Fortgang der Arbeiten hemmten, sondern auch die Unterhandlungen mit der sächsischen Gesellschaft, über die Fortführung dieser Bahn bis Leipzig unterbrachen und zugleich kam zwischen Bayern, Sachsen und Altenburg ein Vertrag, d. d. München den 14. Januar 1841, zu stande, wonach eine Bahn von Leipzig über Hof, Bamberg, Nürnberg bis Augsburg in sechs Jahren vollendet seyn soll. In diesem Vertrag war nichts darüber bestimmt, welcher Theil von der Staatsregierung, und welcher durch Privatgesellschaften ausgeführt werden sollte, daher die konzessionierten Akziengesellschaften sich vorläufig noch in ihren Rechten glauben mußten, wenn auch die obenerwähnten Bestimmungen auf eine Sinnesänderung von Seiten der Regierung bedeuten.

Ueber zwei Jahre waren in solcher Ungewißheit verflossen, als endlich der Minister v. Abel in seiner denkwürdigen Rede, am Schluß der landständischen Verhandlungen am 7. Juli 1843, Andeutungen gab, welchen den Ansprüchen der Privatgesellschaften ein Ziel setzten. Er sagte unter anderem: "Für die Haupt-Eisenbahnen, die großen Pulsadern des Länderverkehrs, für diese nimmt die Regierung das System des Baues auf Staatskosten an, indem die Erfahrung gelehrt hat, daß durch Überlassung solcher Eisenbahnbauten an die Privatindustrie der Zweck hier nicht zu erreichen sey. Für die Eisenbahn, die Sie jetzt beschäftigt, für jene von Lindau nach Hof, waren Akziengeselschaften privilegiert, sie haben sich aber aufgelöst, weil sie an der Möglichkeit Ausführung ohne die größten finanziellen Opfer zweifelten. Dazu kommt, daß die Vortheile, welche die Eisenbahnen gewähren sollen, nur dann in vollem Maaße erreicht werden können, wenn sie Regierungs-Unternehmen sind.

»Warum«, ist gefragt worden, »hat die Regierung dieses System nicht schon früher ergriffen?« Ich habe bereits bemerkt, im Jahre 1836 glaubte die Regierung dem System huldigen zu sollen, welches den Bau der Eisenbahnen der Privatindustrie überließ, Konzessionen wurden ertheilt von München nach Augsburg, und von Augsburg nach Nürnberg, dann von dort nach Hof. Solange diese Konzessionen nicht erloschen und von den Akziengesellschaften die sie erlangten, nicht zurückgegeben waren, war die Wirksamkeit der Regierung gehemmt. Sie hat aber, nachdem sie die Überzeugung gewonnen hatte, daß auf diesem Wege nicht zum Ziel zu gelangen sey, es dahin zu bringen gesucht, dass die ertheilten Konzessionen zurückgegeben wurden, und von dem Augenblicke an, wo die Zurückgabe erfolgt war, hat sie den Neuen weg beschritten. Sie war aber auch bestrebt, auf diesem Weg sich dem Ziel rasch zu nähern, weil nach meiner Überzeugung der Vortheil der Eisenbahnen demjenigen Staate zufällt, der nicht zu lange mit der Ausführung der selben zögert. Wenn nicht ausserordentliche Ereignisse eintreten, wird im Jahr 1847 die Bahn von Augsburg bis an die sächsische Grenze vollendet seyn." -

Der oben erwähnten Akziengesellschaft wurden für ihr bereits angeschafftes Inventar und sonstige Unkosten, dem Vernehmen nach als Entschädigung 100.000 Gulden ausgezahlt, womit dieselbe jedoch nicht zufrieden seyn soll.

Gleichzetig kam der Eisenbahnzug von Bamberg im Mainthale hinab nach Frankfurt in Anregung, und fand allgemeinen Anklang; ja selbst die Akzionäre des Ludwigskanals konnten sich darüber freuen, indem sich voraussehen läßt, daß diesem dadurch eine größere Frequenz zugeführt werden wird. Als aber die Vortsetzung dieser Bahn nach Regensburg, also in der Richtung des Kanals, zur Sprache kam, fand dieselbe von vielen Seiten Widerspruch und Hemmnisse, indem man befürchten mußte, daß die Ausführung dieses Zuges dem noch unvollendeten Ludwigskanal sein kummervolles Daseyn noch mehr erschweren, oder vielleicht gänzlich rauben würde.

Ungeachtet ein landständischer Beschluß, daß auch die Mainbahn auf Staatskosten ausgeführt werden solle, bis jetzt nicht vorhanden ist, (*) (so wenig wie zum Ankauf der München -Augsburger Eisenbahn), so läßt doch die Regierung dieselbe mit dem größten Eifer betreiben, und die Lage und die Form des Zentral-Bahnhofs zu Nürnberg (siehe unten) zeigt, dass die Regierung fest entschlossen ist, die Bahn nach Regensburg fortzuführen.

Obgleich dieser Bahnzug seiner Natur nach nur bestimmt ist, dem Handel und Verkehr von Frankfurt und dem mittleren Rhein nach dem unteren Donaugebiet zu dienen, und man deshalb sogar früher den Vorschlag wagte, die Mainbahn von Würzburg, mir Umgehung der beiden Stätte Schweinfurt und Bamberg direkt nach Nürnberg zu führen, so hat man doch in Rücksicht auf den Gang der Eisenbahn-Angelegenheiten in Hessen , selbst gegenwärtig noch, sich der zuversichtlichen Hoffnung hingegeben, daß diese Mainbahn zugleich dem Leipzig-Frankfurter Verkehr dienen, und diesen für Hessen so wichtigen Verkehr dem Mainthale zugeführt werde. Deshalb hat auch die Regierung dem Bahnzug von Hof über Bamberg nach Frankfurt ihre ganze Sogfalt zugewendet.

Derselbe wird indessen um 31/2 Meilen oder 7 Stunden länger werden, als der über Kassel nach Frankfurt; es ist nämlich die Länge

von

Leipzig bis an die bayerische Grenze

19

Meilen,

»

der bayer. Grenze über Hof (1 Meile) nach Bamberg

18

»

»

Bamberg über Schweinburg nach Würzburg

13

»

»

Würzburg über Lohr nach Aschaffenburg

12

»

»

Aschaffenburg über Hanau nach Frankfurt

5 1/2

»



67 1/2

Meilen

und die Länge von Leipzig über Halle, Eisennach, Rothenburg, Kassel und Marburg nach Frankfurt



64

Meilen.

Die Länge der mit der Eisenbahn fast gleichlaufenden Straße von Leipzig über Hof nach Frankfurt beträgt:

über

Zwickau, Plauen bis Hof

16 3/4

Meil.

von

da über Münschberg, Kulmbach, Lichtenfels bis Bamberg

14

»

»

Bamberg über Schweinfurt, Opferbaum, bis Würzburg

11 1/2

»

»

Würzburg über Gemünden, Lohr, Hessenthal bis Aschaffenburg

12 1/2

»


Aschaffenburg über Hanau und Frankfurt

5 1/2

»



60 1/4

Meil.

Sollte also Kurhessen so glücklich seyn, rasch zum Ziele zu gelangen, so könnte vielleicht dieser verderbliche Schlag noch glücklich abgewendet werden.

Die Leitung der gesamten bayerischen Eisenbahnbauten war anfänglich dem Ingenieuren Pauli und Denis übertragen, und zwar unter dem Direktorium des Geh. Oberbau-Direktors L. v. Klenze.

Letzterer ist jedoch aus dieser Stellung ausgeschieden, und da Hr. Denis sich mit Hr. Pauli über gewisse Prinzipien beim Eisenbahnbau, namentlich über die anzuwendenden Steigungen und Krümmungen und die davon abhängende Hauptrichtung, nicht vereinigen konnte, so ist auch er abgetreten.

Für das gesammte Eisenbahnwesen im Königreich Bayern wurde nun eine Zentralbehörde mit der Bezeichnung "Eisenbahnbau-Komission" angeordnet, welche ihren Sitz zu Nürnberg erhielt. Die Vorstände dieser Kommission sind: Regierungrath, Ingenieur Pauli für die technischen, und Rechnungsrath Dürig, (früher Oberzollinspektor) für die administrativen Arbeiten und das Kassenwesen. Letzterer ist seitdem zum Vorstand der Generalverwaltung der k. Eisenbahnen ernannt worden.

Die Bahnzüge, die in Bayern vorzugsweise zur Ausführung kommen, sind in vier Abtheilungen gebracht. Für jede derselben ist ein Oberingenieur ernannt, welcher im Zentralbureau, jedoch nur für seine Abtheilung als Referent, funkzioniert. Die erste dieser Abteheilungen ist die Nordbahn, von Nürnberg über Hof bis zur nördlichen Reichsgrenze; die zweite ist die Westbahn, von Bamberg über Würzburg bis zur westlichen Reichsgrenze; die dritte Abtheilung ist die erste Hälfte der Südbahn, von Nürnberg bis Augsburg und die vierte die andere Hälfte der Südbahn, von Augsburg bis Lindau.


Weiter mit dem zweiten Teil.


(*)Der betreffende Zusatz zum Eisenbahngesetz lautet: »Sr. Maj. Zu bitten: über die weitere Ausbildung des bayerischen Eisenbahn-Systems nach Osten und Westen die erforderlichen Einleitungen allergnädigst treffen und der nächsten Ständeversammlung einen darauf bezüglichen Gesetzesentwurf vorlegen zu lassen.« - Wie sehr man auch in Sachen die Wichtigkeit des Zuges erkannt hat, zeigt die nachstehende Bemerkung des Direktoriums der sächsich-bayerischen Eisenbahngesellschaft in der am 25. Juni gehaltenen Generalversammlung: »eine von großer Bedeutung für unser Unternehmen in Aussicht stehende Anschlussbahn ist noch zu erwähnen, und zwar die Mainbahn von Bamberg nach Aschaffenburg. Wie vollständig man deren Wichtigkeit im Königreich Bayern erkannt hat, zeigt sich aus der kräftigen Vorbereitung zu derselben.