Zum Hauptmenü Zeichnungen Projektideen Projekte Multimedia Journal Galerie Themen Selektor


Weichenverriegelungen & Weichenschlösser der Kgl.Bay.Sts.B


Jürgen Riedl,
Harald Müller: Der „Pedalverschluss“1

Die Herausforderung

Mit Tempo 400 über Gleise und Weichen rollen nehmen wir Fahrgäste als ganz normal hin. Das wir kein Rattern der Räder wie in unseren Kindertagen wahrnehmen, hat sich schon aus unserem Bewußtsein verdrängt. Doch es war ein weiter Weg, die Eisenbahntechnik so sicher zu machen, daß Tempo 400 überhaupt möglich wurde.

Ganz selbstverständlich nehmen wir an, daß ein Zug sicher von einem Gleis zum anderen wechseln kann, einem anderen Zug ausweichen (das ist der Ursprung der Bezeichnungen Wechsel/Weiche, Wechsel-/Weichen-Wärter), ohne Entgleisung fürchten zu müssen. Das war in den Anfängen der Eisenbahn anders. Eine junge Technologie in den Kindertagen, und so wie heute, waren sich Experten über die richtige Konstruktion uneins.

Um die Konstruktion von Weichenverriegelungen besser nachvollziehen zu können, soll zunächst das Problem vorgestellt werden:

  1. Züge (hier allgemein für entweder eine Lokomotive, eine Wagen oder eine Kombination davon) schlingern zwischen den Gleisköpfen hin und her, erschüttern das Geleis durch Schienenstöße und unrundem Lauf des Rades. Das führt dazu, daß das Gleis nicht ruhig liegt, sondern sich lockern kann und zu wandern beginnt. Die Kräfte auf ein Gleis sind also sehr hoch.
  2. die Unruhe des Gleises führt dazu, daß lose Enden, wie sie bei Weichenzungen vorkommen, nicht in ihrer eingestellten Position verharren, sondern in horizontaler Ebene nach rechts und/oder links auswandern können.
  3. das Auswandern der Zungen kann so weit gehen, daß der Spurkranz eines Rades daran stößt, die Zunge weiter in die ungewünschte Richtung dreht, so daß die Weiche unter dem Zug verstellt wird und der Zug daraufhin entgleist.

Welche Anforderung an eine Zungenverriegelung erwachsen aus der Situation:

  1. die Zungen einer Weiche sollen ungeachtet jeglicher Erschütterungen in der gewünschten Stellung verbleiben, bis diese wieder willentlich in eine andere Stellung gebracht werden.
  2. die Zungen sollen in regulärer Stellung nicht an den Spurkranz stoßen damit das Rad nicht auflaufen kann.

Weitere sinnvolle Anforderungen sind:

  1. fährt ein Zug vom Herzstück kommend auf die Zungen und die Zungen sind falsch gestellt, soll die Zungenverriegelung aufschneidbar sein, so daß die Verriegelung bei Falschstellung automatisch öffnet, der Zug damit nicht auf das Gleis aufläuft und entgleist. Beim Aufschneiden der Zunge darf die Verstellvorrichtung nicht zerstört werden.
  2. Die Verstellvorrichtung soll nicht von Hand festgehalten werden müssen, um das Bedienpersonal währen der Passage des Zuges von der Gefahrenzone fern zu halten.
  3. Weichen, die häufig gestellt werden müssen z.B. weil häufig darüber rangiert wird, sollen sich mit möglichst wenig Kraftanstrengung verstellen lassen.
  4. Zungen sollen in Ruhezeiten so verriegelt werden können, daß sie von Hand nicht verstellt werden können

So einfach die Lösung des Problems heute erscheinen mag, so schwierig haben sich die Pioniere des Eisenbahnwesens getan. Wie so häufig, kann die Realisierung einer Anforderung leicht erreicht werden, aber die Lösungen anderer Anforderungen sind untereinander oftmals nicht kompatibel.

Als weitere Schwierigkeit kam hinzu, daß es in der Anfangszeit zwei verschiedenen Weichentypen gab: die Schleppweiche und die Zungenweiche. Die Schleppweiche wurde schon für die Nürnberg-Fürther Bahn (Eröffnung1835) genutzt und ebenfalls für die München-Augsburger Bahn (Eröffnung 1840). Tauchen Sie, lieber Leser, also ein in die Gedankenwelt der Oberbau-Konstrukteure um 1839. Ein ausführliche Beschreibung der Gleis- und Weichenkonstruktionen der Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen (KBE) ist einem eigenen Beitrag vorbehalten.

Die Weichenkonstruktionen zur Zeit der München - Augsburger Bahn

Schleppweiche München-Augsburger Bahn 1839
Abb. 1: Zungenweiche der München-Augsburger Bahn, Ausschnitt Originalzeichnung aus dem Jahre 1839
Excenter und Schleppzunge im Detail
Abb. 2: Excenter und Schleppzunge im Detail

Als 1840 die privat finanzierte München – Augsburger Bahn, erbaut unter der Konsortialführung von A. von Maffei den Betrieb aufnahm, gab es 2 Weichenbauarten: die Schleppweiche und die Zungenweiche. Die Schleppweiche in eine Richtung fixiert gewährleistete, daß ein Zug ohne wesentlichen Schlag auf seine Spurkränze der Richtung folgt. Nachteilig war jedoch, falls die Weiche falsch gestellt war, ein Zug aus Richtung Herzstück kommend aus dem Gleis fuhr, also entgleiste. Um 1836 wurden in England, konstuiert durch den Ingenieur Robert Stephenson, Weichen mit beweglichen Zungen gebaut, die in Ihrer Anwendung gegen Entgleisung von Zügen aus Herzstückrichtung kommend besser vorbereitet waren. Die Konstruktion war aber noch nicht so einfach möglich, als zu dieser Zeit Gleisprofile mit Breitfuß, wie wir sie von heutigen Bahnen kennen, schwierig herzustellen waren. Stattdessen gab es Pilz-Profile und doppel Pilz-Profile, die recht einfach zu Walzen sind. Die Konstruktion der Gleise mit Schienenstühlen (auch Chairs genannt) und der (doppel- oder einfachen Pilz-)Profilform erlaubte es nicht, den Zungenanfang unter den Profilkopf zu legen, um eine für den Spurkranz schlagreduzierte Ausweichung zu ermöglichen. Zudem wurde mit Ausweichen experimentiert die mit einer oder zwei Zungen ausgestatet waren. Bei der Weichen mit einer Zunge, der sogenannte Stephensonweiche, diente seine einzige Zunge, je nachdem ob sie auf Abzweig oder geradeaus eingestellt war, als Radlenker um die Räder in die ablenkende Spur herüber zu drücken. Es lagen also noch nicht genügend Erfahrungen vor (gerademal etwa 2 Jahre), um bei der München-Augsburger Bahn bereits die modernere Weichenkonstruktion zur Anwendung zu bringen. Da diese Konstruktion als noch nicht bewährt eingestuft werden konnte, herrschte dort also die Schleppweiche vor, genauso wie bei der Nürnberg-Führter Bahn, und als Gleisprofil wurde wie dort mit Pilz-Profil gebaut. Mit dieser Einleitung in die damalige Gegebenheit soll die Vorstellung der bayerischen Weichenverschlüsse begonnen werden.

Excenter im Detail
Abb. 3: Excenter im Detail

Die Konstruktion der Schleppweiche der München-Augsburger Bahn betrachtend, erschließt sich erst bei genauem Hinschauen ein Weichenverschluß. Sind später Weichen über einen Stellhebel, oder auch Weichenbock genannt, verstellt worden, findet hier eine Verstellung über einen Excenter statt. Der Excenter muß für die Ausweichenung exakt in Richtung der Ausweichung stehen. Der Grund erschließt sich rasch, wenn man die Kräfte eines Zuges auf die Ausweichung realisiert. Ein Zug fährt von der Zunge in Richtung Herzstück, und soll aus dem geraden Gleis ausweichen. Ein Zug mit seinen mehrere Tonnen Gewicht, möchte aufgrund seines Beharrungsvermögens (eine Eigenschaft sämtlicher Massen) geradeaus weiter fahren. Die Ausweichung zwingt dem Zug eine andere Richtung auf, wenn auch nur um etwa 1° abgelenkt. Diese Kraft versucht, die Schleppzunge gerade zu stellen. Diese Kraft kann ein Mensch nicht oder nur sehr schwer halten, er würde, käme eine Weichenhebel zur Anwendung entweder gegen oder vom Zug weg geschleudert. So sind solche Unfälle bei Zungenweichen aktenkundig geworden. Damit der Excenter auch nicht durch die Kraft des Zuges gedreht wird, muß er exakt in Linie mit der Stellstange ausgerichtet sein, also an seinem äußersten Punkt stehen, gesehen von der Zunge aus (Drehmoment ist damit verschwindend gering).

Excenter und Schleppzunge Schnitt
Abb. 4: Excenter und Schleppzunge Schnitt

Der Wechselwärter hat also die Aufgabe, diese Bedingung genau einzuhalten. Wo dies vernachlässigt wurde, gab es Unfälle mit Personenschaden. Fuhr der Zug geradeaus, so wirkten nur vernachlässigbare Kräfte auf die Schleppzungen, durch das natürliche Schlingern eines Zuges verursacht. Diese Art des Weichenverschlusses, bei der der Weichenwärter sein Augenmerk auf den korrekten Verschluß als auch den Verbleib des Excenters in der benötigten Position legen mußte, ist noch nicht die Art, die als sicher oder selbstsichernd gelten kann.

Die Weichenkonstruktionen zur Zeit der Ludwig Süd - Nord - Bahn

Beim Bau der Ludwig-Süd-Nord-Bahn, dem ersten Staatsbahnbau in Bayern, lagen schon mehrer Jahre Erfahrung eines modernen Weichentyps in England vor. In Korrespondenz mit Robert Stephenson entschied sich die kgl. bay. Baukommission für eine Bauart mit zwei Zungen, wovon die ablenkende Zunge kürzer war als die für die Geradeausfahrt zuständige.

Weiche 1844 Zungenbereich
Abb. 5: Weiche 1844 Zungenbereich

Bei dieser Konstruktion konnte sich die Zunge nicht verstellen, wenn der Zug in die Ausweiche fuhr, denn die gleichen Kräfte, die bei der Schleppweiche versuchten, die Weiche geradeaus zu stellen, fixierten nun die Zunge, denn das Gelenk der Zunge war nun herzstückseitig angebracht. Der Weichenwärter mußte bei Einfahrt des Zuges auf die Zunge diese mit seinem Gewicht fixieren, damit nicht durch eine leicht geöffnete Zunge ein Verstellen der Weiche durch Schlag mit einem Spurkranz erfolgte. War erst einmal eine Lok oder ein Wagen auf der Zunge, so war ein Verstellen aufgrund der damals kurzen Radstände zwar wenig warscheinlich aber doch möglich. Das Verstellen der Zunge konnte nun sicher über einen Hebel erfolgen, ein Excenter zum Aufnehmen der Kräfte eines Zuges auf die Zungen war nicht mehr nötig. Das sparte Material und damit Kosten. Im Sinne eines Sicherheitsverschlusses konnte diese Konstruktion jedoch nicht gelten. Es traten Unfälle auf die einen Expertendisput auslösten. In einem Gutachten seitens des königlichen Oberingenieuers Hummel und der Erwiederung der königlichen Eisenbahnbau-Comission an König Ludwig I wurde dieser aktenkundig. Hummel führet Unfälle in Nordenheim und Oberhausen auf die Weiche mit kurzen und langen Zungen zurück und empfielt die „verbesserte“ Form der Schleppweiche. Das forderte die Eisenbahnbau-Comision heraus. Auf die Erörterung der bessern Weichenform soll nicht eingegangen werden sondern der Unfallursache Raum gegeben.

Weichenbock 1844
Abb. 6: Weichenbock 1844

So wird beschrieben „Diese Weiche [Oberhausen o. Nordheim] ist jetzt fortwährend mit einem Wärter besetzt. Bei der oben berührten Fahrt [auf die Hummel in seinem Gutachten abhob], welche stattfand, nachdem eben er [der Wärter] die Weiche gelegt, war der Griff am Deckel des das Gegengewicht enthaltenden Kästchens gut befestigt. Der Arbeiter hatte aber in der Eile vergesen, den Deckel selbst an das Kästchen zu befestigen. Nachdem die Lokomotive in die [...] gestellte Weiche eingefahren war, reichte die Erschütterung hin, den Deckel des Kästchens zu verschieben und eine der Zungen faßte die Räder des Tenders, der in der Hauptspur folgen wollte.“

Glücklicherweise konnte sich eine detaillierte Schnitt-Zeichnung eines solchen Weichenbocks von 1844 in unsere Zeit retten, so daß diese Situation links im Bild nachvollzogen werden kann. Man erkennt das Kästchen, in dem ein Gewicht so angebracht ist, daß eine ungesicherte Weiche immer in die definierte „geradeaus“ Stellung fällt. Auf dem Kästchen erkennt man einen Deckel, der mittig 2 „Kamelhöcker“ trägt. Dieser Deckel war offenbar nicht fest mit dem Kästchen verbunden. An den Spitzen der Kamelhöcker erkannt man 2 schwarze Punkt, der linke trägt den Fixierstifft, der rechte müßte eigentlich ein Kreis sein und ein Loch zur Aufnahme eines Stiftes darstellen. Damit konnte also der Weichenhebel auf geradeaus oder abgelenkt fixiert werden. Der Weichenwärter hat in dem Bericht den Hebel festgelegt – auf Ablenkung – aber nicht geprüft, ob der Deckel sauber aufliegt. Durch die Erschütterung der Lok wurde der Deckel verschoben und die Weichenstellung konnte nicht mehr beibehalten werden. Die kurze Zunge driftete von seiner Anschlagschiene ab, die Zungen befanden sich nun beide auf der Innenseite der Tenderrad-Spurkränze und der Tender hatte keine Führung mehr, er entgleiste.

Welche Eigenschaften hatte diese Konstruktion? Die Weiche konnte, wenn man sorgfältig genug vorging, so verriegelt werden, daß ein Weichenwärter in sicherem Abstand zum Zug die Vorbeifahrt abwarten konnte. War der Weichenwärter einmal unachtsam, so konnte ohne Sicherungsstift, die Weiche in seine Standardstellung fallen (der eine Sicherungsstift war mit einem Kettchen auf dem Deckel befestigt, wie man in der Zeichnung weiter oben erkennen kann). Bei Aufschneiden durch Falschstellung allerding wurde der Deckel zum gefährlichen Geschoß, da dieser nicht leicht von Kästchen abheben durfte. Der Hebel selbst und das Gestänge waren in so einem Fall vermutlich auch in Mitleidenschaft gezogen worden.

Weichenschloß auf Stein montiert
Abb. 7: Weichenschloß auf Stein montiert

Die Weichenkostruktionen der k.bay.Sts.B seit 1870

Das Verstellen der Weiche über einen Stellhebel ohne Selbstsicherung wurde bei den weiteren Weichenkonstruktionen beibehalten. Wenn das Personal genügend zuverläßig war, konnten aufgrund der noch geringen Zugzahlen das Verfahren als relativ sicher gelten. An der gefährlichen Situation eines Weichenstellers änderte sich nichts, solange der Stellhebel zu nahe des Lichtraumprofils aufgebaut war. Später wurde die Vorschrift erlassen, den Wurfhebel aus der Gefahrenzone fernzuhalten mit einem Gleismittenabstand von 2,95m, wo der Platz dies nicht zuließ der Hebel in Fahrtrichtung aufgebaut werden mußte mit einem Gleismittenabstand von 2,44m. So blieb der Abstand eines Wechselwärters zu einem Zug immer gleich. Das wird in einem Bild des Hauptbahnhofs München um 1886 des Hofphotographen Böttcher schön gezeigt, eine Aufnahme um 1870 zeigt das noch nicht. Im linken Bild sieht man, daß versucht wurde, den Hebel als Wurfhebel zu gestalten, der etwa 45° Neigung in die jeweilige Stellung einnahm. Der Metallarm ist das Weichenschloß, den man um den Wurfhebel legen konnte und mittels eines Schlüssels abschließen. Auch hier ist der Nachteil, eine abgeschlossene Weiche kann nicht aufgeschniten werden. Der Schloßhebel wird bei Falschfahrt ausgerissen und wirkt als Geschoß.

Einfache Weiche Schnitt, linearer Antrieb
Abb. 8: Einfache Weiche Schnitt, linearer Antrieb

Eine Veränderung läutete 1867 die Konstruktion der Weichen mit Schienen Form (SF) I ein, als die KBE ihren Oberbau konzeptionell zu vereinheitlichten suchte. Zu jener Zeit waren noch 2 verschiedene Doppelkopf Profile verbaut, das symmetrische und das starkköpfige, sowie 2 Birnenkopfprofile, die sich nur um Millimeter unterschieden, die starkköpfige Vignolschiene als auch verschieden Profile der bayerischen Ostbahnen (BOB), die mit den bayerischen Staatsbahnen verbunden waren. Die Gleise der SF I wurden als Hauptbahngeleis konstruiert und stellten bereits eine moderne Konstruktion dar. In nebenstehendem Ausschnitt einer Normalie der KBE ist der Zungenbereich im Schnitt zu sehen. Es war ein Breitfußprofil, wie das Birnenkopfprofil aber mit einem stark unterschnittenen Kopf (durch starkköpfige Vignolesschiene bereits 1857 vorweggenommen). Darunter konnte eine Weichenzunge sehr stabil ihren Anfang nehmen um einen Stoß auf den Spurkranz zu mildern. Die Weichen der SF I stellten zudem einen Wendepunkt des Weichenbaues der bayerischen Staatsbahnen dar. Es gab diesen Typ in zwei Ausführungen: mit Zungen, die aus dem Schienenprofil selbst geschmiedet waren, und damit den Kostruktionsprinzipen der Vorläuferweichen folgten, als auch mit Vollkopfzungen wie heutige moderne Weichen, die nur für Weichenzungen angefertigt waren, und auf erhöhten Gleitplatten bewegt wurden. Und bei dieser Weiche der SF I mit Vollkopfzungen kam der ersten selbsthemmenden Weichenverschluß zur Anwendung. Allerdings sollten bis dahin noch 10 Jahre nach Aufkommen der Weiche SF I vergehen, es wurde das Jahr 1877 geschrieben.


Die erste selbsthemmende Weichensicherung der k.bay.Sts.B: Der „Pedalverschluss“

Nachfolgend sollen 2 Ausschnitte aus den Normalien der KBE die Funktionsweise demonstrieren. Das erste Bild stellt eine Sicht von oben auf das Gleis dar, rechts ist noch der Anfang der Abzweigung nach „Süden“ zu erkennen. Die Zunge liegt an der Anschlagschiene an, ist also auf „geradeaus“ gestellt. Vor der Weiche ist außen an einer Schiene ein sogenanntes "Pedal" befestigt, von dem der Verschluss auch seinen Namen hat. Dieses Pedal sieht man im Abb.9 von oben, wo es sich über drei Schwellenfächer erstreckt. Am entfernten Ende ist das Pedal drehbar gelagert (als Achse dient eine Schraube mit Mutter, die man im Abb.9 links sieht. Diese Schraube ist etwa 2320mm vor der Zunge angeschraubt und kann sich aus der Bildschirmeben heraus bewegen). Das Pedal fluchtet mit der Oberkante des Schienenkopfes. An ihrem rechten Ende trägt die Stange einen massiven Kopf der nach außen gebogen ist und nach unten eine Spitze bildet (siehe Abb.10). Das Gegenstück zu diesem Kopf ist eine nach oben stehende Spitze, die an der Stellstange angebracht ist. In den nächsten beiden Bildern der Abb. 10 ist der Kopf im Schnitt mit dem Schienenprofil erkennbar, die Schnitte „D“ und „E“.

Sicherheitsvorrichtung für Weichen SF I 1877
Abb. 9: Sicherheitsvorrichtung für Weichen SF I 1877

Der Kopf ist unten beidseitig abgeschrägt. Diese Abschrägung gleitet nun in die ebenfalls abgeschrägte Stellvorichtung der Weiche auf und ab. Was passiert beim Umstellen der Weiche? Das kann man sich an den beiden Schnitten der Abb.10 überlegen: Die Stellstange wird durch den Wechselwärter z.B. von links nach rechts verschoben. Der Kopf des Pedals wird über die Abschrägungen von Stellvorrichtung und Kopf nach oben gehoben, bis die Stellbewegung etwa die Mitte erreicht hat, dann gleitet das Pedal wieder nach unten.

Was passiert, wenn ein Zug die Weiche von der Spitze her befährt? Der äußere Rand jedes Rades verhindert, dass das Pedal nach oben aufsteigen kann. Daher wird der Kopf des Pedals in der Stellung festgehalten, die man auf den Schnitten in Abb.10 sieht (je nachdem, ob die Weiche nach links oder rechts gestellt ist). Das verhindert nun, dass die Spitze an der Stellstange sich bewegen kann, und daher wird die Weichenzunge an der Backenschiene angepresst. Damit wird also das Problem, das ganz am Anfang geschildert wurde, zum ersten Mal zuverlässig gelöst!
Diese Vorrichtung ist nun erstmals selbsthemmend. Ein Wechselwärter muß nun nach dem Stellvorgang nicht neben dem Stellbock stehen, das dient seiner Sicherheit, wenn an dieser Weiche bereits hohe Zuggeschwindigkeiten erreicht oder noch vorhanden sind.

Detail Sicherheitsvorrichtung Weiche SF I 1877
Abb. 10: Detail Sicherheitsvorrichtung Weiche SF I 1877

Diese Vorrichtung ist nun erstmals selbsthemmend. Ein Wechselwärter muß nun nach dem Stellvorgang nicht neben dem Stellbock stehen, das dient seiner Sicherheit, wenn an dieser Weiche bereits hohe Zuggeschwindigkeiten erreicht oder noch vorhanden sind. Ob diese Art von Verschluß aufschneidend ist, läßt sich nicht genau sagen. Fakt ist, daß beim Aufschneiden die schiefe Ebene der Zungenverstellung versucht den Stangenkopf er Sicherungsvorrichting zu heben. Andererseits wirkt ein Teil der Kraft senkrecht auf den Schienenkopf, also hemmend, wenn die Zunge geradeaus steht und abzweigend aufgeschnitten werden soll. Vermutlicherweise waren nach Aufschneiden Reparaturmaßnahmen an diese Sicherungsvorrichtung notwendig.

Was passiert beim Auffahren der Weiche? In diesem Fall wird die erste Achse des Zuges die abliegende Zunge in die passende Stellung drängen. Die Weichenstange wird bewegt, und das Pedal wird wie beim Umstellen zuerst über Kopf und Spitze nach oben gedrängt und fällt dann wieder nach unten. Diese Bewegung ist wegen der Steifheit der Weichenzunge beendet, wenn die erste Achse etwa die Mitte der Weichenzunge erreicht hat, also lange bevor diese Achse an der Weichenspitze ankommt. Daher erreicht die erste Achse die Weichenspitze erst, wenn dort Weichenstellstange und Pedal schon die passende Stellung erreicht haben, und daher lässt sich der Pedalverschluss auffahren. Da der Weichenstellhebel nicht entkoppelt ist, also der Bewegung der Zunge folgt, dürfte der mit Getöse Fahrt aufnehmen. Es ist zweifelhaft, ob man dabei von Reparaturmassnahmen unbeschadet bleibt.

Photo Pedalverschluß Österreich 1987
Photo H. Müller: Pedalverschluß Österreich 1987

Wieso ist der Pedalverschluss nicht die ideale Lösung? Ein Problem des Pedalverschlusses ist, dass der Außenrand jedes Rades das Pedal zuverlässig nach unten halten muss. Wenn allerdings schmale Spurkränze auf einer Achse mit ein wenig zu engen Radscheiben vorhanden sind (was durch Verschleiß immer wieder passiert), dann kann das Pedal außen neben dem Rad aufsteigen, und die Verschlusswirkung tritt nicht ein. Darüberhinaus führen die heftigen Bewegungen beim Befahren einer Weiche dazu, dass das Pedal von unten an den Spurkranz anschlägt. Die Gegenkraft jedes Schlages schlägt auf die Achse des Pedals, die dadurch ziemlich bald verbogen und ausgeschlagen wird und daher häufig erneuert werden muss. Wenn man das versäumt, wird das erste Problem, also das Aufsteigen des Pedals neben darüberrollenden Rädern, immer gravierender. Es hat sich daher bald herausgestellt, dass der Pedal bei höheren Fahrgeschwindigkeiten viel zu verschleißanfällig ist, um die nötige Sicherheit zu bieten.

Der Pedalverschluss wird übrigens von Nicht-Eingeweihten häufig mit einer sogenannten Fühlschiene verwechselt. Die Fühlschiene ist aber kein Spitzenverschluss, sondern dient der Sicherung von ferngestellten Weichen gegen das Umstellen, während ein Wagen die Weiche besetzt oder auf sie zurollt.


Das Weichenschloss der k. priv. bayerischen Ostbahnen

Um Weichen ohne Weichenverschluß trotzdem in einer definierten Lage zu fixieren, gab es verschiedenste Vorrichtungen. Bei Gleisbauarbeiten, um Arbeiter zu schützen, wurde das Umlegen der Zungen einer Weiche in das Arbeitsgleis durch ein einfaches Weichenschloß realisiert. In der nächsten Abbildung ist ein Weichenschloß der bayerischen Ostbahnen gezeigt.

Weichenschloß der bayerischen Ostbahn
Abb. 11: Weichenschloß der bayerischen Ostbahn

Die Weichenschlösser zur Zeit der Centralisierung der k.bay.Sts.B

Nach Beginn der Weichenentralisierung (also nachdem man begann, Hauptweichen durch Stellwerke zu bedienen, anstelle durch Weichensteller vor Ort) gab es weiterhin Weichen, die zwar von Hand gestellt wurden, aber durch ein Stellwerk in eine definierte Lage fixiert werden konnten.

Zwei schöne Beispiele der Firma Jüdel & Co sollen hier gezeitg werden. Im ersten Beispiel wird eine Weiche in genau einer Stellung fixiert – die geradeaus Stellung. Solche Fixierungen wurden vermutlicherweise nur bei Stumpf oder Ausweich-Geleisen eingebaut, die zu einem Güterschuppen oder Laderampe führten. Ein Drahtzug öffnete über ein Schaltrad eine drehbare Nocke, die die Stellstange der Zungen in die geradeaus Stellung unverrückbar festlegte.

Weichenschloß mit Schaltrad
Abb. 12: Weichenschloß mit Schaltrad

Bei Rangierbewegungen gab das Stellwerk die Stellstange frei, und der Weichensteller konnte die Rangierarbeiten durchführen. Nach deren Abschluß wurde duch das Stellwerk die Stellstange wieder fixiert. Das Schaltrad drehte eine Nocke in die Stellstange. Da auf abgeschloßenem Geleis nur Wagen standen, war das Aufschneiden der Weiche wegen Falschstellung unwarscheinlich.

Im zweiten Beispiel wird durch ein Stellwerk über einen Drahtzug eine Stange aus der Zungen-Antriebstange gezogen. Der Weichensteller konte nun die Weiche frei bewegen. Hier ist die Antriebstange mit zwei Rasten versehen, so daß die Weiche in beiden Stellungen fixiert werden konnte.

Weichenschloss lienear
Abb. 13: Weichenschloß mit lienearer Verriegelung

Ein Aufschneiden war nicht möglich, sollte so eine Vorrichtung nicht beschädigt werden können, macht so ein Verschluß nur bei Stumpfgleisen Sinn, auf denen Wagen abgestellt wurden, also bei längeren Stückguthallen mit Gleisharfe.


Der Spitzenverschluss Patent Henning bei der k.bay.Sts.B

Unbestritten ist die Verriegelung der Zunge über ein Hebelschloß Arbeits- und Zeitaufwendig, und was schlimmer wiegt und von entscheidendem Nachteil: die Zunge ist nicht aufschneidbar, bzw. beim Aufschneiden wird der Weichenbock, das Schloß und das Gestänge zerstört. Es mußte also ein Verschluß gefunden werden, der die Zungen zuverläßig verriegelt ohne den Weichenbock selbst zu verschließen, ein Verschluß für eine aufschneidbare Weiche. Bei der KBE konkurrierten 3 verschiedene Patente, die diesen Zweck erfüllten: Spitzenverschluß nach Patent Büssing (1894), Patent Vögele (1894) und Patent Henning (1895).

Spitzenverschluß Patent Henning 1895
Abb. 13: Spitenzenverschluß Patent Henning, 1895
Spitzenverschluß Henning, Geradestellung
Abb. 14: Spitzenverschluß Henning, Geradestellung

Auch wenn der Spitzenverschluß Patent Henning 1 Jahr jünger ist als die beiden anderen, soll dieser zuerst diskutiert werden. Der rombenförmige Verschluß ist relativ massiv. An den breiten Ecken ist er über die rechte und linke Zungenabstützstange mit den Zungen verbunden, eine der schmalen Ecken dient als Drehpunkt am Abstützkörper, die andere der schmalen Ecken als Angriff für den Antriebsstange. Wie wird hier der selbstsichernde Verschluß realisiert, so daß aber die Weiche aufschneidbar bleibt?

Der Trick besteht darin, eine potentiell abrüttelde Zunge durch eine Verriegelung am Ablegen zu hindern. Diese Verriegelung wird durch eine Verknieung realisiert. Wie funktioniert die Verknieung? Der Drehpunkt des Zungenantriebs ist durch einen schwarzen Punkt mit darüberliegenden Halbkreis gekennzeichnet. Der Drehpunkt der rechten Zungenabstützstange am Rombus liegt oberhalb des Drehpunkts an der rechten Zunge (dargestellt durch die gestrichelte braune Linie) und ist gegen Weiterdrehen nach oben geblockt - die schwarzen Anschläge rechts und links des Halbkreises.

Spitzenverschluß Henning, Mittelstellung
Abb. 15: Spitzenverschluß Henning, Mittelstellung
Spitzenverschluß Henning, Abzweigstellung
Abb. 16: Spitzenverschluß Henning, Abzweigstellung

Durch Rütteln der Zunge wird die rechte Zungenabstützstange über die Verknieung gegen die Blockierung gedrückt. Somit kann sich die Zunge aus der Anschmiegung nicht lockern. Durch Drücken der Antriebsstange (grün) wird der rechte Drehpunkt der Zungenabstützstange am Antrieb unterhalb der braun gestrichelten Verknieungslinie gebracht: die rechte Zunge ist entriegelt (Bild oben links).Durch Weiterdrücken der Antriebsstange (grün) verriegelt nun die linke Zunge, der Drehpunkt der linken Zungenabstützstange am Rombus liegt über der Verknieungslinie (braun gestrichelt) und wird durch den schwarzen Anschlag am Weiterdrehen gehindert (Bild oben rechts). Ein Freirütteln ist nun ebenfalls nicht mehr möglich. Nun stellt sich die Frage, warum die Zunge, nachdem der Rombus über die Verknieungslinie dreht, nicht wieder von der Anschlagschiene ablegt. Das ist das Geheimnis jeder Verknieung: die rote Zungenabstützstange ist länger als es nötig ist, um die Zunge -wenn der Rombus horizontal liegt – an die Anschlagschiene zu drücken. Dabei wird die Stange etwas gebogen. Da Biegung hier aufgrund der kurzen Länge der Abstützstange irreversiebel ist, wird beim Patent Henning die Stange im Rombus federnd gelagert, so daß die Abstützstange die Federkraft überwinden muß, ohne die Stange zu verbiegen.

Was die drei Illustrationen noch verraten ist, daß bei jedem Stellvorgang zunächst nur eine Zunge bewegt wird, ab Mittelstellung kommt die zweite erst in Bewegung, die andere schmiegt sich nun an die Anschlagschiene, bewegt sich nicht mehr und wird verriegelt. Damit ist diese Weiche mit geringem Karftaufwand zu bewegen.

Der Bewegungsablauf eines echten Spitzenverschlusses Patent Henning wurde in einer Videosequenz festgehalten, und steht in der Abteilung „Multimedia“ zum Herunterladen bereit.


Der Spitzenverschluss Patent Büssing bei der k.bay.Sts.B

Spitzenverschluß Patent Büssing, 1894
Abb. 17: Spitzenverschluss Patent Büssing, 1894
Spitzenverschluß Büssing, Geradeausstellung
Abb. 18: Spitzenverschluß Büssing, Geradeausstellung

Der Spitzenverschluß Patent Büssing ist genial einfachheit Konstruiert mit geringen Materialverbrauch. Bemerkenswert ist seine 2-fache Verknieung im Vergleich zum Spitzenverschluß Patent Henning, der nur einfach verkniet. Ein Rütteln der Zungenschubstange zwingt die Zunge noch fester an die Anschlagschiene da der Gelenkpunkt des Verschlußwinkels rechts vom Gelenkpunkt der Schubstange oben am Verschlußwinkel liegt. In der Sequenz unten sieht man den Übergang des Spitzenverschlußgelenks (der schwarze Winkel) von der rechten Zunge zur linken. Das rechtwinkelige Verschlußgelenk gleitet dabei links auf dem Abstützkörper um dann an der linken Seite des Abstützkörpers nach oben in die Verknieung zu gleiten. Der rechte Gelenkpunkt des Verschlußgelenks gleitet frei. Genial, nicht war?

Spitzenverschluß Büssing, Mittelstellung
Abb. 19: Spitzenverschluß Büssing, Mittelstellung
Spitzenverschluß Henning, Abzweig
Abb. 20: Spitzenverschluß Büssing, Abzweigstellung

Der Apparat des Büssing'schen Verschluß' kann sowohl herzstückseitig, wie in der oben zu sehenden Konstruktionszeichnung dargestellt, als auch herzstückabgewant angeschraubt werden, wie die Photographie unten rechts zeigt.

Photo Spitzenverschluß, Patent Henning
Abb. 21: Photo Spitzenverschluß, Patent Henning
Photo Spitzenverschluß, Patent Büssing
Abb. 22: Photo Spitzenverschluß, Patent Büssing

Die linke Photographie zeigt an einer EW SF X einen Spitzenverschluß nach Patent Henning, aufgenommen im Lokalbahnmuseum Bayerisch Eisenstein, die rechte Photographie ist ebenfals eine EW SF X, in Jandelsbrunn/bay. Wald aufgenommen. In der Abteilung Galerie der Weiche des Profils SF X können Sie mehr Bilder sehen, unter dem Verweis “Zunge”.

Der Bewegungsablauf eines echten Spitzenverschlusses Patent Büssing wurde in einer Videosequenz festgehalten, und steht in der Abteilung „Multimedia“ zum Herunterladen bereit.


Der Spitzenverschluss Patent Voegele bei der k.bay.Sts.B

Bemerkenswert ist der Spitzenverschluß Patent Vögele. Dieser nimmt den Spitzenklammerverschluß der Reichsbahnzeit bereits vorweg. Die Haken liegen hier in der Mitte zwischen den Zungen, der Abstützkörper folglicherweise ebenso. Beim Verschluß der Reichsbahnzeit liegen im Vergleich die Haken unter den Zungen, diese Konstruktion benötigt jedoch zwei Abstützkörper, wie weiter unten aufgezeigt wird.

Spitzenverschluß Patent Vögele, 1894
Abb. 23: Spitzenverschluß Patent Vögele, 1894

Durch einen mehr als glücklichen Umstand, siehe „Galerie“, „Die symmetrische Doppelweiche Bauart Voegele“, konnte in Lenzburg, Schweiz, eine symmetrische Doppelweiche mit konsequentreweise 2 Voegeleverschlüssen dokumentieret werden. Im nachfolgenden rechten Bild sieht man das Detail des Hakens, er ist aus der Verschlussklammer rechts herausgetreten, wie er in der Zeichnung Abb. 23 oben mitte rechts zu sehen ist.

Spitzenverschluß, Patent Voegele
Abb. 24: Photo Spitzenverschluß, Patent Voegele
Spitzenverschluß Detail, Patent Voegele
Abb. 25: Photo Spitzenverschluß, Patent Voegele, Detail

Der Bewegungsablauf eines echten Verschlusses Patent Voegle wurde in einer Videosequenz festgehalten, und steht in der Abteilung „Multimedia“ zum Herunterladen bereit.


Weitere Spitzenverschlüsse in der Reichsbahnzeit, Der Hakenverschluß anderer Länderbahnen

Wärend in Bayern im wesentlichen Gelenkverschlüsse zur Anwendung kamen, wurde bei den Länderbahnen Preussen-Hessen, Sachsen, Schwerin und Oldenburg der Hakenverschluß angewendet.

Hakenverschluß allgemein Ansicht
Abb. 26: Photo Hakenverschluß Ansicht
Photo Hakenverschluß Detail
Abb. 27: Photo Hakenverschluß Detail

Diese Verschlußart ist in dem Werk von Gustaf Wulfert über die Reichsbahnweiche S49 aufgeführt. Interessanterweise machte sich diese Verschlußart auf den Weg zu den österreichischen Länder- und Staatsbahnen, wie auch bayerische, feststehende Weichenlaternen in Österreich aufgestellt wurden. Per Zufall konnten im Bahnhof Ried/Innkreis in Österreich Weichen mit Hakenverschluß aufgefunden und dokumentiert werden. Dieser wohl selten zu findende Verschluß wird deshalb im Ablauf unten vorgestellt.

Sequenz des Hakenverschluß
Abb. 28: Sequenz des Hakenverschluß

Der Hakenverschluß funktioniert wie in der rechten Sequenz zu sehen: in der Grundstellung umfaßt hier der linke Haken den Hakenblock und fixiert somit die Zunge an die Anschlagschiene. Ein Rütteln der linken Zunge kann den Haken nicht öffnen, weil eine Öffnungsbewegung den Haken an den Block heranziehen würde. Das blockiert aber das Öffnen der Zunge selbst. Der rechte Haken liegt unter der rechten Anschlagschiene mit seinem Gleistück am rechten Hakenblock angelegt und ist frei beweglich.

Im 1. Abschnitt wird der linke Haken entriegelt, die linke Zunge bleibt solange fixiert, bis der linke Haken soweit um den Hakenblock herumgleitet, daß er mit seinem Gleitstück am Hakenblock in Zungenbewegungsrichtung ausgleiten kann. Die rechte Zunge kann sich währen dieser Phase etwas bewegen.

Im 2. Abschnitt werden beide Zungen zugleich und gleichförmig bewegt, bis die rechte Zunge an der rechten Anschlagschiene anliegt. Diese gleichzeitige Bewegung der Zunge bedeutet höheren Kraftaufwand für den Weichensteller wie der Autor durch Handanlegen selber erfahren konnte.

Im 3. Abschnitt gleitet nun der rechte Haken um den rechten Hakenblock herum und fixiert die rechte Zunge gegen abrütteln. Der linke Haken liegt wie in der Grundstellung oben mit seiner Gleitfläche am linken Hakenblock an und ist frei beweglich. Der Weichensteller kann sich nun beim passieren des Zuges in sicheren Abstand begeben. Dieser Hakenverschluß ist ebenfalls wie die bayerischen Verschlüsse aufschneidbar. Ein Zug, der die Weiche aufschneidet, bewegt über die abgelegte Zunge die Stallstange, so daß der fixierte Haken aus seiner Grundstellung ausschwenkt und mit seinem Gleitstück am Hakenblock entlang gleitet. Ein Verriegel der aufgeschnittenen Seite findet danach natürlich nicht automatisch statt. Der Bewegungsablauf eines echten Hakenverschlusses wurde in einer Videosequenz festgehalten, und steht in der Abteilung „Multimedia“ zum Herunterladen bereit.


Der Spitzenklammerverschluß der Reichsbahn- und Bundesbahnzeit

Wenn man den Spitzenverschluß Patent Vögele aus dem Jahre 1894 in der Mitte aufschneidet und die beiden Hälften jeweis unter die linke und rechte Anschlagschiene anbringt, so erhält man damit den Spitzenklammerverschluß wie er ab der Reichsbahnzeit zur Vereinheitlichung der Weichenverschlüsse eingeführt wurde.

EW Hakenverschluß
Abb. 29: EW S49, Spitzenklammerverschluß
Photo Spitzenklammerverschluß, Detail
Abb. 30: Photo Spitzenklammerverschluß, Detail

Dieser Spitzenklammerverschluß kam aber nicht nur bei dern neuen Weichen S49 und folgende zur Anwendung, bei gegebenen Anlaß wurden auch bayerische Weichen nachträglich bei Reparaturen mit dieser Verschlußart versehen, wie heute (2004) z.B. im Bahnhof Bichel an der Relation Kochel – München in einem überkrauteteten Gleis der SF X gesehen werden kann.

Sequenz des Spitzenklammerverschluß
Abb. 31: Sequenz des Spitzenklammerverschluß

Der Spitzenklammerverschluß funktioniert wie in der rechten Sequenz zu sehen: in der Grundstellung liegt die linke Klammer außerhalb der linken Verschlußkammer und fixiert durch die Schieberstange und hält somit die linke Zunge an die Anschlagschiene. Ein Rütteln der linken Zunge kann die Klammer nicht öffnen, dazu müßte das Rütteln die Reibung der Schieberstange überwinden und diese nach rechts bewegen. Diese Bewegung wird aber durch den Weichenbock oder einen Antrieb verhindert. Die rechte Klammer liegt fixiert im Verschlußstück, eingerastet in die Ausnehmung der Stallstange.

Im 1. und 2. Abschnitt wird die Schieberstange durch die Verschlußkammer gezogen, dabei rastet die linke Klammer zunehmend in der Schieberstange ein. Die linke Zunge bleibt solange fixiert, bis die linke Klammer in der Schieberstange vollständig eingerastet ist und mit dieser gemeinsam durch die Verschlußkammer bewegt wird. Die rechte Zunge bewegt sich von Anfang an, denn sie ist in der Schieberstange eingerastet.

Im 3. Abschnitt werden beide Zungen zugleich und gleichförmig bewegt, aber nur über eine Entfernung von 160mm bis die rechte Klammer aus der Schieberstange ausrasten kann. Durch die nahezu entkoppelte Bewegung der Zungen bedeutet dies geringen Kraftaufwand für den Weichensteller, wie der Autor durch Handanlegen selber erfahren konnte.

Im 4. und letzten Abschnitt rastet nun die rechte Klammer aus, die Schieberstange fixiert die Klammer außerhalb der Verschlußkammer und fixiert die rechte Zunge gegen abrütteln. Die linke Klammer liegt wie in der Grundstellung oben fixiert innerhalb der Verschlußkammer. Der Weichensteller kann sich nun beim Passieren des Zuges in sicheren Abstand begeben. Dieser Spitzenklammerverschluß ist als moderner Verschluß aufschneidbar. Ein Zug, der die Weiche aufschneidet, bewegt über die abgelegte Zunge die Klammer, so daß diese die Schieberstange über die Einrastung mitnimmt. Folglich wird auf der gegenüberliegenden die Raste der Schieberstange soweit bewegt, daß die Klammer mitgenommen wird. Ein Verriegel der aufgeschnittenen Seite findet danach natürlich nicht automatisch statt, dazu muß die Schieberstange weiterbewegt werden.

Der Bewegungsablauf eines echten Spitzenklammerverschlusses wurde in einer Videosequenz festgehalten, und steht in der Abteilung „Multimedia“ zum Herunterladen bereit.

Photo Weichenschloß an EW SF X
Abb. 32: Photo Weichenschloß an EW SF X

Zum Abschluß des Themas soll ein Weichenschloß vorgestellt werden, wie es heute genutzt wird. Es war in Bayrische-Eisenstein in 2004 an der EW SF X angebracht. Im abzweigenden Gleis wurde das Schotterbett neu gelegt und gestopft. Deshalb durfte die Weiche nicht unbeabsichtigt verstellbar sein.

Aus Herzstückrichtung konnte kein Zug kommen, es waren nur Trollwagen auf dem zu schotternden Geleis. Also kein Grund, es aufschneidbar zu halten.

Das Weichenschlösser nicht nur für Gleisbauarbeiten genutzt wurden, sondern besonders in unbemannten Bahnhöfen oder Bahnhofen nur mit ortsgestellten Weichen bei Rangierarbeiten, kann man in einem sehr lesenswerten Artikel in der Miba 11/04 nachlesen. Da wurden auf zwei Modulen „Laubacher Wald“ vier Weichen mit Schlösser verriegelt, die abhängig voneinander einzustellen und abzuschließen waren. Die Weichenschlösser sind allerdings nicht maßstäblich realisiert worden, sondern im Modulkasten eingebaut, so das die Funktionsfähigkeit wie beim großen Vorbild gegeben war. Macht schon das Rangieren auf Modulen mit Aufgaben nach Fremo Spaß, wird er noch durch Digitalsteuerung gesteigert, so ist das Nachstellen eines echten Betriebsablaufes sicherlich höchster Genuß.


Quellennachweis

Normalien Zeichnungen: VAN: Verkehrsmuseum der Deutschen Bahn AG, Archiv, Nürnberg und Bibliothek der TUM: Technischen Universität München

Diskurs über Ursache von Entgleisung 1848: VAM: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abteilung Verkehrs-Archiv, München; beigestellt durch Dr. Gert von Rosen – von Hoewel

Gustaf Wulfert, Die Reichsbahnweiche S49

Photos und Graphiken: Jürgen Riedl

1Harald Müller konnte in Österreich 1987 einen der letzten Pedalverschlüsse dokumentieren und hat diesem Beitrag damit zu mehr Klarheit verholfen. Ich möchte seinen sehr lesenswerten Blog empfehlen: stellwerke.blogspot.de