Erfindungen und Verbesserungen im Gebiete der Eisenbahnen

Der Treutler'sche patentierte Tag- und Nacht-Telegraph für Eisenbahnen

1An die Stelle der bei älteren Eisenbahnen eingeführten Tag-Signale vermittelst großer durchbrochener oder undurchbrochener, weiß oder bunt bemalter Scheiben Fahnen aller Art, Klingelzüge, Signal-Hörner u. dgl. m., ist bei den neueren Bahnen mehr und mehr der zweiarmige Telegraph getreten, welcher mehr als die nöthige Zahl scharf voneinander abweichender Zeichen zuläßt. Es gewährt derselbe den Vortheil, daß durch ihn die beim Betriebe der Eisenbahnen nöthigen Mitteilungen die Bahn schnell durchfliegen, während er auch für die ganze Dauer der Fahrt dem Locomotiv- und Zugführer, sowie jedem Bahnwärter ein deutliches Zeichen gibt. Dadurch entspricht derselbe allen Anforderungen, die gemacht werden, und nur bei überwiegendem Nebel versagt er seinen Dienst. Alle vorgedachten und anderen Vorrichtungen erfüllen nur eine oder die andere dieser Anforderungen, und sind durch Nebel und Wind Störungen unterworfen. Der kostspielige elektro-magnetische Telegraph, so ausgezeichnet er ist, und so geeignet, bei allen Witterungsverhältnissen mit Sicherheit die Nachricht von einer Stazion zur anderen zu bringen, hat, abgesehen von seiner leichten Verletzbarkeit, den bedeutenden Nachtheil, daß er die zur Abwendung von Unglücksfällen oft viel wichtigere Verständigung zwischen Bahnwärter und Locomotiveführer nicht gestattet, ersterem also kein Mittel gibt, eine ihm bekannte Gefahr dem Zuge anzuzeigen, oder erforderlichenfalls für eine Hülfslocomotive zu signalisieren. Es ist also von allen Vorrichtungen für den Zweck des Signalements keine, die alle Anforderungen unter allen Umständen erfüllt; doch dürfte nach dem Urtheil angesehener Techniker der zweiarmige Telegraph derjenige seyn, welcher in den meisten Fällen seinen Zweck am besten erfüllt.
 

Für die Abend- oder Nachtfahrten sind auf den verschiedenen Bahnen verschiedene Signal-Systeme ganz unabhängig von den vorgedachten Tag- Signalen in Gebrauch, indem man z.B. Um das Nöthige zu melden, Laternen höher oder niedriger aufhängt oder mit weißem und buntem Licht versieht usw. In dunkler, finsterer Nacht, wo dem Auge die Beziehung zu anderen Gegenständen fehlt, ist aber kein Mensch imstande, selbst bei viel kleineren Entfernungen als in welchen die Wärterstazionen bei Eisenbahnen sich befinden, anzugeben, ob ein Lichtpunkt um einige Fuß höher oder niedriger hängt, und alle Farben haben den Nachtheil, daß sie den Lichteffekt ungemein schwächen und durch atmosphärische Verhältnisse ebenso erzeugt wie vernichtet werden können. Es erscheint nämlich unter gewissen Verhältnissen ein weisses Licht roth, und umgekehrt ein rothes Licht weiss, und ebenso verhält es sich mit grün. Die Arten des Signalisierens sind und bleiben also ihrer Natur nach unvollkommen, und jeder Sachverständige bekundet, daß alle bisher angewandten Nacht-Signale dem Tagsignal vermittelst des zweiarmigen Telegraphen bedeutend nachstehen. Wenn es nun von großem Wert ist, für den Tag ein gutes Signal zu haben, um wieviel wichtiger muß dies für die Nacht seyn, da am Tage das Auge des Locomotiveführers allenfalls die Bahn überblickt, während es des Nachts lediglich auf die Deutlichkeit des Signals ankommt, ob er mit Ruhe und Sicherheit seinen Weg verfolgen kann. Es wird demnach nicht in Frage zu stellen seyn, daß ein gutes Nachtsignal ebenso wie das Tagsignal am besten durch den zweiarmigen Telegraphen mit seinen scharf unterschiedenen Zeichen zu erwarten, und ein auf das System des Tag-Telegraphen gebrachtes Nachtsignal allen anderen Signalvorrichtungen vorzuziehen ist.

 
Dieser Forderung entspricht der von mir erfundene Tag- und Nacht-Telegraph, der noch den großen Vortheil bietet, daß bei Tag und Nacht das selbe Zeichen gilt, der Wärter also leichter und mithin sicherer einzuüben ist. Hier gelten bei Nacht wie am Tage beiläufig die nachfolgenden Zeichen,

die der eingeübte Bahnwärter nicht verfehlen kann. Jedes dieser Zeichen erscheint des Nachts, da die Arme in ihrer ganzen Länge und nach beiden Seiten wie mit eils Astral-Lampen (und zwar mit den geringen Mitteln von zwei Laternen) erleuchtet sind, viel kräftiger als am Tage, und kann augenblicklich gegeben werden. Der Telegraph zeigt des Nachts vor- und rückwärts ein, durch einen parabolischen Reverber verstärktes Zentrumlicht, welches man bequem 4-5 Telegraphen-Stazionen weit sieht, außerdem aber zeigt jeder Arm vor- und rückwärts 5, durch Reverbere verstärkte Astral-Lampen Flammen, so daß, wenn beide Arme gezogen sind, man vor- und rückwärts stets eils durch Reverbere verstärkte Astral-Flammen, je nach dem Zeichen in gerader oder gebrochener Linie erblickt, wodurch das Ganze seiner Stärke nach mehr ein Feuer- als ein Licht-Signal wird, und man an geeigneter Stelle die Telegraphen bis auf zwei Meilen weit leuchten sieht. Eine solche Lichtstärke muß unfehlbar größere atmosphärische Hindernisse, also bei weitem stärkere Nebel durchdringen, als dies bei anderen Vorrichtungen der Fall ist.

Die Wahl der Zeichen und ihre Bedeutung hängt natürlich ganz von der Willkür einer jeden Eisenbahn-Direkzion ab, wie diese solche für das zweckmäßigste erachtet. Wie nun der Tag-Telegraph nur eine Farbe bietet, so würde auch mein Telegraph in der Nacht mit bloß weißem Licht, das stets am intensivsten ist, ausreichend seyn, indem gewisse Zeichen die durchgehenden, andere die lokalen Bedeutungen haben könne, wodurch dann die jetzt noch üblichen Korbsignale ganz wegfielen. Die lokalen Zeichen werden indessen auf der Breslau-Schweidnitz-Freiburger und auf der Breslau-Liegnitzer Bahn, wo meine Telegraphen bis jetzt Anwendung gefunden haben, durch Grün- oder Rothfärben der durchgehenden Zeichen gegeben, so daß dem sich nähernden Zuge z.B. das Zeichen in roth als Signal zum »langsamfahren« und in grün als Signal zum »halten« gilt. Dem vor- und nachfolgenden Wärter aber gilt für das weitergeben des Zeichens nur die Form desselben, und es ist ganz gleichgültig, ob die atmosphärischen Verhältnisse ihm das Erkennen einer Farbe gestatten oder nicht. Der Locomotiveführer hingegen wird, wenn er auch von einem Telegraphen zum anderen die Farbe nicht sieht dieselbe unter allen Witterungsverhältnissen im herankommen wenigstens auf 2 bis 300 Schritte erkennen, und darnach, da solche lokale Zeichen erst für die ihrem Aufstellungspunkt nachfolgende Strecke gelten, hinlängliche Zeit haben, den Lauf der Locomotive zu mäßigen oder den Zug anzuhalten. Die drei Erfordernisse: 1) das sichere Weitergeben des Zeichens, 2) den Locomotiveführer auf unsicherer Stelle zum Langsamfahren, 3) denselben, wo es Noth thut, zum Anhalten zu bringen, sind es, auf die es vorzüglich für die Sicherheit jeder Fahrt ankömmt, und diese erfüllt mein Telegraph bei Tag und Nacht mehr als alle anderen bisher bekannten Systeme.

Meine Erfindung fand zuerst auf der Breslau-Schweidnitz-Freiburger Eisenbahn Anwendung, wo sie sich so sehr bewährte, daß die Niederschlesisch-Märksiche Bahn dieselbe auf der Breslau-Liegnitzer Strecke einführte, und nun nach selbstgewonnener Erfahrung wegen Einführung derselben an der ganzen Bahnlinie mit mir abschloss.*) Auch haben andere Bahnen bereits Unterhandlungen mit mir eröffnet, und in Frankreich kömmt mein Telegraph nunmehr auf derjenigen Strecke der Straßburg-Baseler Eisenbahn in Anwendung, auf welcher am meisten ein sicheres und scharfes Signal von Wichtigkeit ist. Die ganze Anordnung des Telegraphen, so wie die technische Ausführung und mechanische Einrichtung, befriedigte noch jeden Sachkenner. Die Wirkung desselben ist unfehlbar, und seine Handhabung bei Tag und Nacht ungemein einfach. Die Kosten der Unterhaltung für die Nacht sind denjenigen der sonst üblichen Laternensignalen gleich, und die der Anschaffung sind wohl nur um wenig höher, als da, wo besondere Vorrichtungen für Tag- und Nachtsignale eingeführt wurden. Die Erfindung ist übrigens im preussischen und österreichischen Staat, dann in Sachsen, Bayern und Frankreich patentiert.

Hirschberg in Schlesien, im April 1845.

G. A. Treutler.

2Es ist in diesen Blättern schon öfter von den Treutler'schen Telegraphen die Rede gewesen. Beistehende Zeichnung und die nachfolgende Beschreibung werden genügen, von denselben einen deutlichen Begriff zu geben.

Die Zeichnung stellt den Telegraphen dar, wie er auf der Breslau-Freiburger und Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn in Anwendung ist. Fig. 1 zeigt einen solchen Telegraphen in der Seitenansicht, seine Arme befinden sich in Ruhe; in der Vorderansicht Fig. 2 sind beide Arme gezogen, und es zeigen punktierte Linien die übrigen noch möglichen Stellungen derselben an. In Fig. 1 ist A der Hauptmast, der oben einen Fächermast B trägt, in welchem sich um die gemeinschaftliche Achse a die beiden Arme C, C bewegen können, die vermittelst am oberen Ende angehängter Drahtketten mit den am Fuße des Mastes befindlichen Hebeln D in Verbindung stehen und dadurch in die verschiedenen Stellungen gebracht werden, daß man die Hebel nach Erfordernis in die entsprechenden Zähne b einstellt. Um die Arme für die Nacht beleuchten zu können, sind in denselben Spiegel jalousienartig so eingesetzt, daß sie, wie Fig. 3 ( in doppeltem Maßstabe) zeigt, das von einer in der Verlängerung der gemeinschaftlichen Armachse befindlichen Laterne empfangene Licht dieser Achse parallel zurückwerfen. Es sind demnach, um die zwei Telegraphenarme nach vor- und rückwärts zu erleuchten, nur zwei Laternen erforderlich, welche an den mit einem Falz versehenen Laternen-Leitungen E, E vermittelst Schnüre durch die Winden F soweit emporgewunden werden, bis sie oben an einen Anschlag gelangen, wo sie dann im richtigen Punkt sich befinden, um in den Spiegeln der Arme die Bilder ihrer Flamme erscheinen zu lassen. Die Laterne G' (Fig. 1) befindet sich in diesem Punkt, während G'' die Stellung angibt, in der sie zum Hinaufwinden eingesetzt wird.

Die Zahl der Spiegel in jedem Arm beläuft sich auf 10, von denen abwechselnd 5 vor- und 5 rückwärts wirkend sind. Bei Tag dienen sie zugleich dazu, die Arme, indem sie dieselben füllen, sichtbarer zu machen, stehen jedoch noch weit genug von einander ab, um dem Wind, Schnee etc. freien Durchgang zu lasen. In C Fig. 2 zeigen die mit Sternchen versehenen Flächen die vorwärtswirkenden, die mit r, r.. bezeichneten die rückwärts wirkenden an. Da auf diese Weise das Licht auf der einen Seite genau in derselben Richtung zurückgeworfen wird wie auf der anderen, so ist ein Telegraph, wie ihn Fig. 1 darstellt, nur in geraden Bahnlinien anwendbar, und in Kurven muß man zu dem Auskunftsmittel schreiten, zwei hinter einander stehende Masten anzubringen, bei deren jedem die Armachse genau auf die nächste korrespondierende Stazion gerichtet ist, in der Art nämlich, daß eine von dem Mast zur betreffenden Stazion gezogene Sehne vertikal ist, zur Fläche des aufgezogenen Armpaares. Ein solcher, nur für eine Richtung dienender Telegraph ( welcher Hr. Treutler einen halben nennt, zum Unterschied des nach beiden Richtungen wirkenden ganzen Telegraphen) bedarf also auch nur eines Laternenpfahls, indem das Armpaar nur auf einer Seite mit Spiegeln besetzt ist.

Da übrigens bei einer Kurvenstazion die beiden Masten eine gleiche Höhe haben, so decken sich die entsprechenden Arme in der Art, daß dem entfernten Auge die Zeichen immer genau wie bei einer Stazion in gerader Linie sichtbar sind. Um die erleuchteten Arme genau voneinander zu scheiden, ist in jeder Laternenleitung der Armachse gegenüber, eine Oeffnung angebracht, wodurch man, wie H Fig. 2 zeigt, das Licht der Laterne selbst sieht; durch eine Glasscheibe roth gefärbt, bezeichnet dasselbe zwischen den weiß erleuchteten Armen einen festen Mittelpunkt. Durch Vorschieben bunter Scheiben vor das Licht der Laterne kann man zwar auch das Licht der Arme färben, jedoch ist das weiße Licht das Intensiveste, und besiegt also atmosphärische Hindernisse am meisten. Nur auf Bahnhöfen werden des Nachts die Arme bunt beleuchtet, um das sonst mögliche Ueberspringen der Zeichen zu verhüten. Auf den Eisenbahnen trägt die ganze Höhe des Telegraphen 24 Fuß, welches Maß nur bei besonderen Terrain-Verhältnissen entsprechende Abänderung erleidet. Sie stehen neben der Wärterbuden, die nach den Terrainverhältnissen 1/10 bis 1/8 Meile voneinander entfernt sind, und werden im Freien von den Bahnwärtern bedient. - »Die Unerheblichkeit des Kostenpunktes dieser Tag- und Nachttelegraphen« - bemerkt Hr. Treutler am Schluß der Beschreibung seiner Erfindung - » geht aus der angefügten Zeichnung und dem Gesagten so deutlich hervor, daß darauf speziell einzugehen nicht erst nöthig ist, und soll nur noch bemerkt werden, daß die Erfindungen in den preußischen und österreichischen Staaten, Sachsen, Bayern und Frankreich patentiert ist.«  Das dieser Telegraph auch in Bayern, sogar in der Ludwig-Süd-Nord-Bahn, zum Einsatz kam, soll nachfolgendes Bild illustrieren.

Rahmen2

1Eisenbahnzeitung No. 36, Stuttgart, xxx 1845

2Ergänzung aus Eisenbahnzeitung No. xxx