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Die Entwicklung der Wagenheizung bei den Eisenbahnen im Königreich Bayern


Dr. Gert von Rosen - von Hoewel, Dr. Andreas Werner

1. Einleitung

In der heroischen Pionierzeit der Eisenbahn begnügten sich Fahrgäste der ersten Stunde noch damit, sich im Winter mit den Mitteln der Postkutschenzeit, nämlich warmer Kleidung, Wolldecken und Hochprozentigem vor der Kälte einer stundenlangen Bahnreise zu schützen. In Bayern gab es bei den Staatsbahnen bis über das Jahr 1850 hinaus in den seitlich offenen Wagen der 3. Klasse als einzigen Wetterschutz lederne Vorhänge. In einem bestimmten Zusammenhang forderte die Bahnverwaltung, „den Schüblingen [Gefangenen] bei dem Eisenbahntransporte im Winter denjenigen Schutz gegen Kälte gewähren, deren sich alle Passagiere III Klasse bedienen, nämlich wärmender Kleider1. Doch je mehr Bahnfahrten zur Selbstverständlichkeit wurden, desto stärker wuchs das Verlangen nach Komfort und Bequemlichkeit.

Obwohl die Bahnverwaltungen vielerlei Versuche unternahmen, diese gestiegenen Ansprüche zu befriedigen, war eine befriedigende technische Lösung zunächst nicht leicht zu finden. Dies wird aus einem Eintrag in Meyer's Konversationslexikon von 1885 deutlich2, wo die Forderungen an eine gute Waggonheizung wie folgt zusammenfasst werden:

Herstellung einer gleichmäßigen Temperatur von etwa 10-12°C, und Innehaltung derselben gegenüber allen zufälligen Störungen, Vermeidung von Rauch, Ruß, Staub, schädlichen Dünsten u. schlechten Gerüchen, Gewährung vollständiger Feuersicherheit sowohl bei regulärem Betrieb als bei Eisenbahnunfällen, Vermeidung einer Erschwerung des Eisenbahnbetriebs.“

Für das Beheizen der Wagen der Polsterklassen gab es mehrere Verfahren: Mit heißem Sand oder (z.B. in Bayern) mit warmem Wasser gefüllte Blechbehältnisse wurden in den Coupès unter die Sitzbänke geschoben. Die Erwärmung war unzureichend, ungleichmässig und nur von relativ kurzer Dauer, so dass sie oft (d.h. etwa alle 45 km) ausgewechselt werden mussten, und die Passagiere entsprechend belästigt wurden. Eine zweite, weit verbreitete Form der Heizung bestand aus Behältern mit chemisch präparierter Preßkohle, die vor Abfahrt in glühendem Zustand von außen unter die Sitzbänke geschoben wurden (Abb.1). Diese Form der Heizung hielt sich noch lange bei Straßenbahnen und Bierwagen, wo sie verhindern sollte, daß das Ladegut im Winter einfror, und sollte bei den Speichertriebwagen noch bis in Bundesbahnzeiten überdauern. Neben vergleichbaren Nachteilen zog diese Heizung aber außerdem hohe Kosten für die Preßkohle, enormen logistischen Aufwand und Brandgefahr nach sich. Die Salonwagen wie auch die Durchgangswagen „amerikanischer Bauart“, die in den niedrigsten Klassen vieler Verwaltungen sowie bei den württembergischen und schweizer Bahnen in allen Klassen vorherrschten, wurden mit steinkohlegefeuerten Öfen beheizt. Auch hier waren die ungleiche Wärmeverteilung und der Brandschutz ein Problem; auch gingen mindestens vier Sitzplätze pro Kanonenofen verloren. Wo diese Form der Heizung in Abteilwagen eingebaut wurde, mußte man die Trennwände der einzelnen Abteile zur Zirkulation der warmen Luft oben und unten mit Durchbrechungen versehen, was eine Trennung zwischen Raucher- und Nichtraucherabteilen unmöglich machte. Die Zugänglichkeit für den Heizer war außerdem sehr umständlich3. Weitere Systeme wie z.B. Apparate für Heißluft oder Niederdruck-Warmwasser-Zirkulation wurden ebenfalls erprobt.

Bild Salonwagen der Ostbahn mit Preßkohlenheizung
Abb. 1: Salonwagen der Ostbahn mit Preßkohlenheizung4.

Die genannten Verfahren waren unzuverlässig, benötigten einen hohen Personal- und Arbeitsaufwand und waren im Endergebnis sehr teuer. Vor allem die Wagen dritter Klasse benötigten dringend einer Beheizung. Aber die Bahnverwaltungen scheuten bei der großen Zahl dieser Wagen einen Einsatz solch teurer Verfahren. Erst ab den 1870er Jahren begann sich die Dampfheizung allgemein als Standard durchzusetzen und blieb danach für viele Jahrzehnte die Lösung der Wahl. In dieser Entwicklung hat Bayern, neben der preußischen Ostbahn, eine Vorreiterrolle gespielt. Es erscheint daher sinnvoll, die Entwicklung der Wagenheizung bei den Eisenbahnen im Königreich Bayern gesondert zu betrachten.


Kapitel 2: Vom „Allerhöchsten Dienst“ zum Allgemeingut bei den Staatsbahnen