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Die „königlich privilegirten bayerischen Ostbahnen“ (B.O.B.), 1858-1875
Steintransportwagen


Dr. Gert von Rosen –von Heuwel

Die im Titel angegebenen Daten beziehen sich auf die Betriebsjahre der Ostbahnen; die Gesellschaft selbst war schon 1856 aktiv. An der Spitze ihrer Eisenbahnverwaltung stand das Direktorium, anfangs geleitet von Herrn von Denis. Unter seiner Verantwortung wurden alle Angelegenheiten für den Bau und später auch für den Betrieb der Bahnlinien bearbeitet. Alle geplanten Maßnahmen musste er dem Verwaltungsrat zur Genehmigung vortragen. Letzterer vertrat nicht nur die Interessen der Aktionäre, sondern auch die Gesellschaft nach außen hin. Er war z.B. Ansprechpartner der übergeordneten staatlichen Dienststellen und umgekehrt war nur er berechtigt, sich an jene zu wenden.

Wegen der längeren Fertigungsdauer wurde bereits im Mai 1857, 1½ Jahre vor Betriebsbeginn der erste Liefervertrag für 12 Personenzug Lokomotiven mit Maffei in München abgeschlossen. Mit Fortschreiten des Baues der Bahntrasse konnten auch die ersten Güterwagen zum Transport des benötigten Baumaterials eingesetzt werden, die sog. Steintransportwagen, Serie „L.“. Allerdings konnte nirgendwo in den Sitzungsprotokollen ein Hinweis auf Genehmigung der ersten zwei Serien dieser Gattung gefunden werden. Die Erklärung findet sich im Protokoll der 29. Sitzung vom 2.9.1857; darin heißt es: „Weiter theilte Herr Direktor von Denis mit, daß er zwanzig Stück Transportwagen verakkordirt habe mit der Fabrik Schmidtner und Mayer in Carlsruhe à 900 fl was inerhalb seiner Competenz gelegen habe, daher einer Genehmigung nicht bedürfe.“ Die Steintransportwagen gehörten also zu dem Bauetat über den Dir. Denis in eigener Verantwortung verfügen konnte. Damit ist aber auch eindeutig die Zweckbestimmung der Steintransportwagen charakterisiert: sie dienten dem Bahnunterhaltungsdienst.

Die Wagen der ersten Serie sind im Juni 1857 bestellt worden. Es fällt auf, dass ein ausländischer Fabrikant gewählt wurde (s.o.). Solches wurde des Öfteren von der Gesellschaft praktiziert, hat ihr aber viele Schwierigkeiten und besondere Auflagen seitens der staatlichen Aufsicht beschert, worauf an anderer Stelle eingegangen werden wird.

Nun zu den L-Wagen selbst. Bei der ersten Serie von 1858 handelte es sich um 4 gebremste und 20 ungebremste Wagen, die durch je ein HO-Modell repräsentiert sind (Abb. 1,2). Es waren mit der Kastenlänge von 4816 mm und dem Radstand von 2480 mm die BOB Wagen mit den kleinsten Dimensionen, wenn man von den Rollwagen absieht.

Bild Steinwagen Serie von 1858 mit Bremsersitz
Abb. 1: Steintransportwagen (1858), mit Bremse - Eigenbau
Bild Steinwagen Serie von 1858 ungebremst
Abb. 2: Steintransportwagen (1858), ohne Bremse - Eigenbau

Sie waren wie das gesamte Rollmaterial der Gesellschaft mit Ausnahme der Bierwagen braun angestrichen und nicht grün. Sie zeigten auch wie alle BOB-Güterwagen der ersten drei Baujahre bestimmte auffallende Baumerkmale, wodurch sie ebenfalls leicht von den zeitgenössischen Staatsbahnwagen zu unterscheiden waren. Zum einen hatten sie das norddeutsche Puffersystem, d.h. die Pufferhöhe von 1040 mm und nicht die niedrigere Pufferlage von 660 bzw. 710 mm (auch hierzu an anderer Stelle mehr). Das auffallendste Merkmal wies das Untergestell in Gestalt der Aufhängung der Tragfedern auf: deren sehr lange, einfache Hängeeisen waren auf besonderen Holzunterlagen verschraubt, die ihrerseits unter den Längsträgern befestigt waren. Die Schrägstreben der Achshalterkuliseen waren etwas stärker gespreizt. Die relativ kurzen Puffer besaßen außen zwei „Schwimmhäute“.

Die zwei Längswände waren wie bei Schotterwagen üblich zweiteilig. Den Plänen ist nicht zu entnehmen, dass die beiden Hälften in irgendeiner Weise miteinander zu verankern waren. Deshalb besitzen sie bei den Modellen mittig nur eine einfache Scheinfuge weil sie aus Stabilitätsgründen in einem Stück ausgeführt wurden. Beide Modelle haben nämlich wie die Originale abnehmbare Wände, weshalb man an ihnen auch sehr schön die damalige Konstruktionweise demonstrieren kann (Abb. 3).

Bild Steinwagen Serie von 1858 ungebremst ohne Stirn- und Seitenwände
Abb. 3: Steintransportwagen (Abb. 2) mit abgenommenen Wänden und Bodenplanken

Das hölzerne Untergestell besaß zwei äußere Hauptlängsträger und zwei innere, daneben die üblichen Querträger und Diagonalstreben. Die Pufferbohle und die Längswandauflagen waren um die Bodendielendicke stärker bemessen. Innen besaßen diese vier, das äußere Gestellrechteck bildenden Elemente eine Längsfalz, in welche die Dielen eingelegt werden konnten, so das diese gleichzeitig bündig auf den übrigen Streben des Gestells auflagen. Vielleicht um Arbeit und Material, sprich Kosten zu sparen waren die beiden Querstrebenpaare neben den Achsen nicht durchgehend. An ihnen waren bei den Bremswagen die Bremsaufhängungen befestigt. Die Bremsspindel befand sich von der Wagenmitte aus gesehen auf der linken Seite und nicht rechts wie bei der Staatsbahn, weil bei der BOB die Bremsersitze bzw. später die Bremserhäuser auf der linken Wagenecke montiert waren.

Die zweite Serie wurde 1860 von der Firma Nöll & Co. in Würzburg geliefert und bestand aus 5 gebremsten und 21 ungebremsten Wagen (Abb. 4,5). Diese neunfüßigen Wagen (2627 mm Radstand) waren etwas größer als die vorhergehenden bemessen - Kastenlänge 4524 mm. Sie waren im Prinzip wie ihre Vorgänger gebaut, besaßen aber einige technische Verbesserungen. Die äußeren Längsträger waren jetzt eiserne I-Profile. Die Längswandhälften konnten untereinander verriegelt werden. Die gleiche Verriegelungsmöglichkeit hatte die Stirnwand auf der Bremserseite. So konnten ihre rechte Hälfte für sich abgenommen werden und die Bremsapparatur unberührt stehen bleiben. Das ist bei der ersten Serie nicht möglich gewesen.

Bild Steinwagen Serie von 1860
Abb. 4: Steintransportwagen (1860), mit Bremse - Umbau aus Bavaria Bausätzen
Bild Steinwagen Serie von 1860
Abb. 5: Steintransportwagen (1860), ohne Bremse - Umbau aus Bavaria Bausätzen

Von zwei L-Wagen gibt es sogar eine Betriebsaufnahme, nämlich auf dem Bild „Herbststrassenbrücke“ von ca. 1870 (VAN). Unter der Mitte der Brücke zieht sich der Holzzaun entlang, der das hintere Ostbahngelände von dem vorderen Staatsbahngelände abtrennt. Die Steintransportwagen stehen hinten am Bildrand; links ein ungebremster, rechts ein gebremster Wagen. Bei diesem sind sogar andeutungsweise Bremsersitz und Bremsspindel zu auszumachen. Ein weiteres Merkmal belegt dasselbe: der linke Wagen besitzt Schalengussräder, der rechte Speichenräder. Erstere Räder galten als Bruch gefährdet, weshalb es in der ersten Zeit vielfach verboten war, sie bei Bremswagen einzusetzen. Nebenbei gesagt befinden sich noch zwei gedeckte Güterwagen Serie E. der BOB auf dem Bild, einer links von den besprochenen Wagen und einer vorne rechts im Verband mit Staatsbahn Güterwagen.

MAN in Nürnberg hat 1871 und 1872 die dritte Serie und letzte Bauserie in zwei Partien zu je 50 Wagen geliefert. Ein Foto zeigt einen fabrikneuen Bremswagen auf dem Werksgelände (Abb. 6).

Bild MAN Wagen der BOB: L.br. N <U><SUP>ro</SUP></U> 99.“
Abb. 6: Steintransportwagen (1872) im Nürnberger Fabrikgelände
Er trägt die Bezeichnung „B.O.B. L.br. Nro 99.“ Das steht noch für das erste Nummernschema der BOB, bei dem jede Gattung mit der Wagennummer 1 begann. Das musste die Bahngesellschaft noch im gleichen Jahr ändern, weil „nach den neuen technischen Vereinbarungen“ des Vereins der Deutschen Eisenbahn Verwaltungen der Wagenpark jeder Gesellschaft eine fortlaufende Nummerierung aufweisen musste1. Die Aufnahme lässt auch abgesehen von der Farbe der Holzelemente das damals in Bayern übliche Farbschema erkennen: Eisenteile in Schwarz; Kasten Innenwände und Räder grau. Dem folgend sind die Modelle lackiert worden (Abb. 7,8).

Bild Steinwagen Serie 1871 & 1872 mit Bremserhaus
Abb. 7: Steintransportwagen (1871), mit Bremse – MF Bausätze
Bild Steinwagen Serie 1871 & 1872 ungebremst
Abb. 8: Steintransportwagen (1871), ohne Bremse – MF Bausätze

Im Großen und Ganzen entsprachen die Wagen denen der Staatsbahn, allerdings waren sie in ihren Abmessungen etwas bescheidener: Untergestell- und Kastenlänge 6700 mm, Radstand 3590 mm, der klassische Radstand der BOB. Inzwischen besaßen die Wagen ein seitlich offenes Bremserhaus, das grundsätzlich die anderen gebremsten BOB Güterwagen bis zur Einführung geschlossener Bremserhäuser von Anfang an besaßen. Der Platz für das Häuschen wurde geschaffen indem der Kasten etwas verkürzt war und das Plateau über die Puffer vorstand. Diese beiden waren entsprechend länger ausgeführt worden.

Kenner werden festgestellt haben, dass es weitere 52 L-Wagen in identischer Ausführung gegeben hat. Es handelte sich dabei um Privatwagen, die auf Amortisation angeschafft worden sind. Das geht auch aus einem nach der Verstaatlichung im Jahre 1876 verfassten Schreiben hervor: „Mit dem Ostwagenparke sind 60* offene Güterwagen übernommen worden, welche successive in das Eigenthum der Ostbahn übergehen und vorerst von den Eigenthümern nun zur Benützung unter vertragsmäßigen Bedingungen überlassen wurden.“ 2Es handelte sich um die Firmen Adolf Kröber, München (2 Stück), Karl Kröber, Nürnberg (25) und der Waldindustrieverein, Wien (25). Die Wagen wurden alsbald von der Staatsbahn abgelöst und ohne Unterschied zusammen mit den anderen L-Wagen in den Staatsbahnbestand eingereiht.

* bei den restlichen 8 Wagen handelte es sich um Schemelwagen

Im Laufe der Jahre wurden v.a. die Wagen der beiden ersten Serien vielfach umgebaut. Einige erhielten eiserne Untergestelle oder der Radstand wurde verlängert. Nach 1894 wurden alle ehemaligen L-Wagen von der Gattung Od zur Gattung X[u] umgeschrieben (Abb. 9,10). Das entsprach ihrer Verwendung zum Schottertransport im Bahnunterhaltungsdienst. Die Wagen der letzten Serie waren 1906 in Immenreuth und Wiesau stationiert; um 1915 wurden sie ausgemustert.

Bild Steinwagen Serie nach 1894 ungebremst
Abb. 9: Bahndienstwagen (1860) mit Bremsersitz, Bauzustand ~1900 - Trix
Bild Steinwagen Serie nach 1894 mit Bremserhaus
Abb. 10: Bahndienstwagen (1860) um BOB Bremserhaus und Plateau ergänzt, Bauzustand ~1900, richtig wäre Grau als Anstrich (siehe Abb. 9.) - Trix

Andere Wagen wurden durch die Umbaumaßnahmen völlig anderen Verwendungszwecken zugeführt. Für acht Eichbeiwagen, die um die Jahrhundertwende entstanden sind, wurden wahrscheinlich ältere BOB L-Wagen eingesetzt.

Einige Wagen der Serie von 1860 sind zu Schneeräumwagen umgebaut worden (Abb. 11). An dem ungebremsten Ende des Wagens wurde ein kompliziertes Balkengerüst angesetzt, dessen vordere Schrägflächen mit Blechen verkleidet waren. Zum Abfangen des hohen Druckes beim Schneeräumen wurde oben die Räumschaufel zusätzlich nach hinten durch einen starken Balken abgestützt, der auf dem Wagenboden befestigt war. 1887 wurde der erste Umbau dieser Art durchgeführt. Der Wagen war anfangs in Salzburg stationiert, später wahrscheinlich in Augsburg.

Bild Steinwagen Serie 1871 & 1872 ungebremst
Abb. 11: Umbau Steitransportnwagen der Serie 1860 zu Schneeräumwagen 1887 ungebremst - Eigenbau
Nach der Nummer zu urteilen war der ursprüngliche Wagen ungebremst, das neue Fahrzeug war gebremst. Verwunderlich ist dabei, dass der Wagen typische Ostbahn Auftritte und Bremsapparatur aufwies. Es ist aber schwer vorstellbar, dass man sich die Mühe gemacht haben sollte solche alten Einrichtungen von einem Bremswagen ab- und umzumontieren. Hat man sich bei der Nummernangabe vertan? 1889 folgte ein zweiter Umbau dieser Art. Die weiteren Schneeräumwagen konnten leider nicht bestimmten BOB Wagen zugeordnet werden.

Anmerkungen:

die Modelle sind noch unbeschriftet und haben alte KBE-Achslager

VAM = Verkehrsarchiv, München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv

VAN = Verkehrsarchiv, Nürnberg, DB-Museum

Literatur: 1: VAM 1028, 05.12.1871 2: VAM 6881, 28.06.1876