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Herbststraßen- und Hackerbrücke in München


Dr. Gert von Rosen - von Hoewel

Die namensgebende Herbststraße lag im Vorfeld der damaligen Bahnhöfe „Centralbahnhof“ und „Ostbahnhof“1, 300m östlich der ersten Brücke, die als Ersatz für den inzwischen problematisch gewordenen, als Bahnübergang dienenden mittleren Abschnitt dieser Straße errichtet wurde. Damit konnte dieser Straßenabschnitt aufgelassen werden; der südlich des Bahngeländes gelegene Teil ist später in Zollstraße umbenannt worden. Ein Bericht des „Augsburger Tagblatt“ (4.8.1860 No.213 S.1733) schildert wie der Hofopernsänger Lindemann dort verunglückte, als er bei offenen „Barrieren“ bzw. Bahnschranken von einem unvorhergesehen heranrollenden „Rollwagen“ (Arbeitswagen) am Fuß verletzt wurde. Fast zwei Monate dauerte sein Krankenstand.

Bild Abb. 1 Planskizze: Herbststraße und Bahnhöfe mit Gleisanlagen, 1862
Abb. 1 Planskizze: Herbststraße und Bahnhöfe mit Gleisanlagen, 1862.

Rechts vom Bahnübergang Herbststraße befanden sich die Lokrotunde der Staatsbahnen und links das Maschinenhaus der Ostbahn. Die Strichellinie ist die Grenze zwischen dem Gelände beider Bahngesellschaften.

Bild Abb. 2. Planskizze: Herbststraßenbrücke und Bahnhöfe, ~1870
Abb. 2. Planskizze: Herbststraßenbrücke und Bahnhöfe, ~1870.

Die Herbststraßenbrücke ist 1870 fertiggestellt worden. Der ehemalige Bahnübergang ist gestrichelt eingezeichnet. Die Brücke selbst befand sich knapp rechts der Ostbahn Schiebebühne vor deren „Holz- und Kohlenremise“.

Bild Abb. 3. Herbststraßenbrücke, unmittelbar vor Fertigstellung, 1870
Abb. 3. Herbststraßenbrücke, unmittelbar vor Fertigstellung, 1870.

Auf dem Bild sieht man mit der Fertigstellung der Straßenplanie befasste Arbeiter. Die Blechbalken-Gitterbrücke hatte fünf Joche und zu beiden Seiten von der Fahrbahn abgetrennte Fußgängerwege. Hoch interessant sind die unglaublich klar abgebildeten Wagen, die im Bereich unterhalb der Brücke abgestellt stehen.

Bild Abb. 4 Wagenpark unter der Herbststraßenbrücke, 1870
Abb. 4 Wagenpark unter der Herbststraßenbrücke, 1870.

Bei einigen Wagen kann man bei der Bildvorlage sogar die Bahnnummern lesen, was sehr hilfreich bei ihrer Identifizierung ist. In der vordersten Reihe stehen KBE Personenwagen alter Bauart. Die ältesten sind der zweite von rechts und der links im Schatten der Brücke stehende, beides BC-Wagen mit je einem Abteil 3. Klasse außen und mit zweien 2. Klasse dazwischen. Der rechte mit der Nr. 531 stammt von 1849. Diese Wagen sind von den jüngeren sofort durch ihre niedrigere Bauform zu unterscheiden. Ganz rechts steht der BC Nr. 2070 von 1854. Er ist entsprechend der ab 1850 gültigen Baunorm 4 Zoll (~12cm) höher als die Vorgänger. Auffallend ist, dass die beiden Abteile 3. Klasse noch die ursprüngliche, niedrigere Fensterhöhe besitzen. Der mittlere Wagen ist der AB Nr. 1328 von 1853. Er hat „geschweifte“ bzw. oben nach außen vorgewölbte Stirnwände. Sehr schön sind die abgerundeten Kopfstützen zu sehen, wie sie nur nur die Sitze der Polsterklassen aufwiesen. Sie lassen erkennen, dass die Polsterbezüge in der 1. Klasse dunkel, die der 2. hell bezogen waren. Ganz links steht wieder ein gleicher BC Wagen wie ganz rechts. Alle Wagen haben gegenüber der Ursprungsausführung ein zweites Laufbrett, weil die Wagenkästen ab 1860 norddeutscher Norm entsprechend höher gestellt worden sind. Sie besitzen aber noch die alten Puffer und Pufferhölzer mit der langen, gebogenen Adamsfeder und die Exter Bremsen mit den langen Bremsbäumen,andererseits haben einige Wagen bereits die kurzen Laufbretter auf dem Dach. Auf die Bremsanlagen wird in einem gesonderten Artikel eingegangen werden.

Der rechte Güterwagen in der nächsten Reihe ist ein Wagen der Ostbahn, erkennbar an dem seitlich sitzenden Bremserhaus. Er gehört zu deren Gattung „E“ Nr. 823 von 1866. Nummern und Eigentumangabe sind nicht direkt auf die Wandbretter sondern auf schwarze Täfelchen geschrieben. Daneben folgen zwei Staatsbahnwagen der Gattung „A“ von 1860/61. Ihre Untergestelle zeigen eine Übergangsbauweise. Der Wagenkasten hat bereits die höhere Position nach norddeutscher Norm aber noch die tiefer liegenden Längsträger nach bayerischer Norm. Bei dieser mussten die Achsfedern aus Platzgründen neben dem Längsträger liegen, bei dieser Serie erstmalig auf der Außenseite, und von den vorstehenden Querträger Enden abgestützt werden. Die Drehpuffer weisen ebenfalls auf die verschiedenen Pufferhöhen beider Normen hin und dass diese Güterwagen als „Verbindungswagen“ gedient haben. Ein weiteres altertümliches Merkmal sind die offenen „Bremserböcke“, die letzten ihrer Art bei den Staatsbahnen. Als nächstes ist ein mit Gerüstteilen beladener offener Güterwagen Gattung „E III“ der 1850er Jahre mit abgenommenen Wänden zu sehen. Ursprünglich befanden sich seine Puffer in Höhe der Längsträger, jetzt, nach Höherstellung, stehen sie im Niveau der Bodenplatte. Als letztes ist noch ein ungebremster gedeckter Staatsbahnwagen Gattung „A“ der Bauform ab 1863 zu sehen. Auf seiner Stirnseite ist eine niedrige Tür auszumachen. Hinter dieser befand sich ein Fach für „Condukteur“ bzw. Schaffner „Utensilien“. Vor dem Zaun dahinter steht rechts eine Läutebude. Dahinter stehen zwei offene Wagen der Ostbahn „Steinwagen, L“. Interessant ist bei ihnen, dass der rechte, gebremste Wagen Speichenräder und der ungebremste daneben Scheibengussräder hat. Diese waren damals aus Sicherheitsgründen bei gebremsten nicht gestattet.

In den Jahren 1890-94 wurde direkt neben der Herbststraßenbrücke auf ihrer Westseite die neue Stabbogen Brücke errichtet. Die alte Ostbahnremise ist verschwunden. Auf dem angrenzenden Gelände befanden sich Pschorr- und Hackerkeller, was zum aktuellen Namen Hackerbrücke geführt hat. Die nachfolgende Aufnahme ist in Richtung Stadt gemacht worden. Folglich sieht man hinter dem Neubau mit den sich deutlich nach oben verjüngenden Tragpfeilern Teile der noch intakten Herbststraßenbrücke. Im Bereich des linken, eisernen Brückenjochs scheinen rechts hinter einer Blende Leute auf der alten Brücke zu stehen und den Bau zu betrachten. Unter ihnen befindet sich das Widerlager der alten Brücke mit bis zum Straßenniveau reichenden Erdmassen was zeigt, dass davor Erde abgegraben worden ist um Platz für ein weiteres eisernes und drei steinerne Brückenjoche zu gewinnen mit neuen Gleisen und Güterhallen. Letztere sind vor einigen Jahren abgerissen worden um u.a. dem zentralen Busbahnhof (ZOB) Platz zu machen.

Bild Abb. 5. Bau der Hackerbrücke
Abb. 5. Bau der Hackerbrücke.

Auf drei Wagen sei hier eingegangen. Ganz hinten steht ein offener Güterwagen „E“ aus den 1863-66er Jahren. Seine Wände haben noch ein Stützgerüst aus Balken. Am hinteren Ende ist gerade noch eine offene Bremserbühne auszumachen. Der viert-hinterste ist ein ehemaliger Ostbahnwagen Gattung „F“ von 1858, jetzt „E“. Er ist allerdings umgebaut worden und hat z.B. dreieckige Giebelwände statt der ursprünglich runden. Davor steht ein gedeckter Ostbahnwagen „E“ von 1858-63, jetzt Gattung „A“. Er ist erkennbar an den hölzernen Längsrahmen-Unterlagen für die Befestigung der Feder Hängeeisen und an dem etwas stärker gewölbten Dach.

Abb. 6. Bau der Hackerbrücke
Abb. 6. Bau der Hackerbrücke.

Dieses Bild ist kurze Zeit vor dem oberen aufgenommen worden; das vierte Eisenjoch wird gerade montiert. Der interessante Wagen in der Mitte ist ein ehemaliger gebremster Kohlenwagen „E I“ von 1858, jetzt mit hochgesetzten Puffern und Kupplung und erniedrigten Wänden als Arbeitswagen dienend. Rechts vorne liegen Stapel von Schienen mit der damals typischen Länge von etwa 6m (SF I). Die dunklen Flecken auf den Innenseiten der verlegten Schienen sind Eisenlaschen.

1: Der jetzige, 1871 errichtete Ostbahnhof hieß anfangs „Haidhauser Bahnhof.