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Die „königlich privilegirten bayerischen Ostbahnen“ (B.O.B.), 1858-1875
Salon- und Terrassenwagen


Dr. Gert von Rosen –von Hoewel

Salonwagen waren sehr geräumige Personenwagen mit bequemen Polstergarnituren und weiteren luxuriösen Einrichtungen. Sie wurden, wenn man von den Wagen für die allerhöchsten Herrschaften absieht, in dem hier behandelten Zeitraum als „Wagen 1er Klasse mit Salon“ bezeichnet und sind auch von den Ostbahnen eingestellt worden. Weil es bei dieser Gesellschaft keine ungemischten Abteilwagen 1. Klasse gab erhielten ihre Salonwagen das für Wagen 1. Klasse übliche Gattungs­zeichen „A.“.

Im Archiv des Verkehrsmuseums in Nürnberg (VAN) befinden sich drei Großpläne (Maßstab 1:10) von Salonwagen der Ostbahnen. Auch dasjenige des Deutschen Museums in München (DMM) besitzt einige Großpläne zu dieser Gattung. Letztere tragen zumeist die Überschrift „Bayer. Ostbahnen“ und die dargestellten Achslagerbüchsen zeigen das typische „BOB“. Obwohl sämtliche Hinweise zur Herkunft bzw. Bedeutung dieser Pläne fehlen ist es offensichtlich, dass es sich bei diesen nur um Entwürfe handeln kann.

Nach dem wohl ältesten Entwurf (Plan 03372) sollte der Wagen zwei Salons besitzen, wie es in den 40er Jahren auch bei den bayer. Staatsbahnen gang und gäbe war. Bei einem anderen Entwurf (03371) war einer der beiden Salons um eine Fensterachse verkürzt worden um ein kleines Sanitärabteil zu gewinnen. Auch nach dem Plan 03370/1 u. /3 war eine innere Dreiteilung festgelegt worden, nunmehr bestehend aus einem Begleiterabteil - allerdings mit drei Fenstern auf der Stirnseite und mit der üblichen Dreiereinheit von Abteilfenstern in der Längswand - dann aus dem Salon mit drei Fensterachsen und aus einem kurzen Sanitärbereich. Hier war noch ein transportabler Eimer für die Fäkalien eingezeichnet worden (03370/2). Auffällig ist, dass keine Schlafmöglichkeit vorge­sehen war.

Bild Abb. 1. Salonwagen, Entwurf, DMM 03370/1
Abb. 1. Salonwagen, Entwurf, DMM 03370/1

Die ersten beiden Salonwagen wurden von den Ostbahnen im Jahr 1864 beschafft. Der Plan aus den beiden offiziellen Ostbahn Verzeichnissen von 1872 und 1875 (VAN: IX M 56 und IX M 64b), in denen alle Wagengattungen in der Reihenfolge ihrer Gattungsbezeichnung und Nummern angeführt werden, zeigt einen konventionell gebauten Wagentyp mit 7000 mm Kasten Länge. Die beiden trugen die Bezeichnung A.1. und A.2., nach der Verstaatlichung im Jahre 1875 die Nummern 17757, 17758 ohne Gattungszeichen und 26, 27 ab 1894.

Ein Nürnberger Plan zeigt die Kasten Längswand von außen und den Grundriss und trägt außerdem den Vermerk: „München 4. November 1862 Kraemer“, dem Ober-Maschinen-Ingenieur der Ost­bahnen. Sie wurden demnach nicht durch die MAN in Nürnberg gebaut, wie man oft lesen kann, sondern in der eigenen „Centralwerkstätte“ in Regensburg, wie es auch aus einer Aufstellung der BOB von Anfang 1874 über alle Wagenbestellungen hervorgeht. 1

Das Untergestell war wie damals bei Salonwagen üblich ungebremst und bestand bis auf die beiden eisernen I-Längsträger aus Holz. Der Radstand betrug 4086 mm; die Schrägabstreben der Achshalterkulissen waren wie bei der Ostbahn üblich stärker als bei der Staatsbahn gespreizt.

Bild Abb. 1. Salonwagen, Entwurf, DMM 03370/1
Abb. 2a. Salonwagen A. 1. 1864 (VAN IX M 56)
Bild Abb. 1. Salonwagen, Entwurf, DMM 03370/1
Abb. 2b. Salonwagen A. 2. 1864 (VAN IX M 56)

Ein auffallendes äußeres Merkmal der Ostbahnsalonwagen waren die gekuppelten Fensterpaare. Gegenüber dem jüngsten Entwurf war das Begleiterabteil ohne Stirn­fenster ausgeführt worden. Dadurch konnte eine Sitzbank als einzige Sitz­gelegenheit an die Stirnwand gestellt und das Abteil um eine Fensterachse verkürzt werden. Der gewonnene Platz ist dem Abteil am anderen Ende des Wagens, dem Ruhe- bzw. Sanitärbereich zugeschlagen worden.
Vom Begleiterabteil aus gelangte man durch eine Mitteltür in den Salon von 3100 mm Länge. Auf der einen Längsseite befand sich mittig eine Konsole mit einem Spiegel darüber, daneben je ein Sessel und auf der gegenüber liegenden Seite ein kürzeres Sofa mit je einem lehnenlosen Sessel zu beiden Seiten, wie ein detail­reicher Nürnberger Plan ausweist.
Am Ende des Salons führte eine zweite Mitteltür in das Endabteil mit einem Bett an der einen Längsseite und ein hinter einer leichten Zwischenwand verborgenes Kabinett mit Abort und Waschtisch an der anderen. Je ein Doppelfenster auf beiden Seiten sorgte für Licht und Lüftungsmöglichkeit.

Bild Abb. 3. A.1. 2., Endabteil, oben: Bett, rechts unten Abort, links unten Waschtisch (Plan hier beschädigt), Mitte links Türe zum Salon
Abb. 3. A.1. 2., Endabteil, oben: Bett, rechts unten Abort, links unten Waschtisch (Plan hier beschädigt), Mitte links Türe zum Salon

Der Kasten beider Wagen hatte ein etwas höheres Lichtraumprofil als der normaler Wagen. Dadurch konnte die Innendecke bei ausreichender Raumhöhe prismatisch, d.h. im mittleren Bereich flach und zu den vier Rändern hin mit einer ebenen Schräge konstruiert werden. Auch die Deckenlaternen sind so detailliert dargestellt, dass sich ihre unterschiedliche Größe erklären lässt; die zentrale des Salons sollte vier und die beiden anderen zwei Flammen besitzen.

Bild Abb. 4.  Salonwagen A.1., A.2.,Salon, Innensicht mit Deckenlampe,  Ausschnitt
Abb. 4. Salonwagen A.1., A.2.,Salon, Innensicht mit Deckenlampe, Ausschnitt

Von den späteren Umbauten war besonders auffallend, dass der Wagen 27 in einen Wagen mit Interkommunikation umgewandelt wurde. Das könnte im Jahr 1876 geschehen sein, wenn sich folgende Passage auf diesen Wagen bezieht.: „Es war nothwendig einen bereits vorhandenen Salonwagen conform mit Übergangsbrücken (…) versehen zu lassen, (…) durch Rathgeber.“, nämlich für Incognito - Reisen von Ludwig II. 2

Eine amtliche Skizze zeigt die Inneneinrichtung von 1888.

Bild Abb. 5. Salonwagen A.1., Grundriss mit Einrichtung, 1888
Abb. 5. Salonwagen A.1., Grundriss mit Einrichtung, 1888

Im Jahr 1873 ist von der Firma Haag in München für 300 Gulden pro Wagen eine Dampfheizung eingebaut worden, erkennbar an der Dampfleitung unter dem Wagenboden und an den Heizröhren unter den fest eingebauten Sitzen.3
Später sind im Salon die Zahl der Sitzmöglichkeiten verringert und das Tischchen in die Mitte des Raums versetzt worden. An seiner Stelle stand wie auch im Endabteil ein dampfbeheizter Röhrenofen. Die Beleuchtung war von Petroleum auf Gas umgestellt worden wie man an den zwei Vorratsbehälter unter dem Wagenboden sehen kann.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1874 wurde von MAN der dritte Salonwagen geliefert mit der Bezeichnung A.3. bzw. später mit 17759 und schließlich mit 28.

Bild Abb. 6.  Salonwagen A. 3., 1874
Abb. 6. Salonwagen A. 3., 1874

Bei der entsprechend moderneren Bauweise, z.B. komplett eisernes Untergestell überrascht, dass der Wagen mit 3660 mm einen um 426 mm kürzeren Radstand hatte als die beiden älteren Wagen. Das stand im Widerspruch zu der auch damals bekannten Tatsache, dass ein vergleichsweise längerer Radstand zu einer größeren Laufruhe beiträgt. Des Rätsels Lösung fand sich in einem Bericht an den Verwaltungsrat der BOB von Ende 1873. „Die engen Curven der Voigtländischen Linie verhindern den Übergang der fremden wie der dießseitigen Salonwagen nach Leipzig; ein Umstand, der finanziell nach­theilig aber auch dem Rufe unserer Bahnen schädlich ist. Zwei in dieser Woche nacheinander gefolgte Fälle legen mir daher die Pflicht auf, dafür zu sorgen, daß ein speziell für den Übergang nach Leipzig geeigneter Salonwagen mit kurzem Radstande beschafft werde und bitte ich mich zu dessen Vergebung an die Maschinengesellschaft Nürnberg zu ermächtigen.“.4

Laut einer Randnotiz genehmigte der Verwaltungsrat am darauf folgenden Tag die Beschaffung des Wagens. Leider ist zu den zwei „Fällen“ nichts ausgeführt worden. In dem Ostbahnverzeichnis von 1875 finden sich die handschriftlichen Anmerkungen „Kosten 5100 fl“ und „1875 Jäner“ Es könnte sich um den Monat der Übernahme handeln, wofür neben dem üblichen Zeitaufwand auch spricht, dass dieser Wagen in einer Aufstellung von Mitte 1874 noch nicht aufgeführt ist. 5 Es ist erstaunlich, dass die steilen engen Kurven durch den Thüringer Wald bis heute, seit mehr als 150 Jahren ein großes verkehrstechnisches Problem geblieben sind, deren jetzt geplante Verbesserung wegen der immensen Kosten und der erheblichen Eingriffe in die Natur lebhafte politische Diskussionen ausgelöst haben.

Bild Abb. 7.  Salonwagen A.3., Grundriss, Aufriss, 1874, VAN IX M 64b
Abb. 7. Salonwagen A.3., Grundriss, Aufriss, 1874, VAN IX M 64b

Das Begleiterabteil des neuen Wagens mit den beiden Zugängen war wie die Skizze (links) zeigt räumlich großzügiger gehalten als bei den beiden ersten und hatte beiderseits zwei gekuppelte Fenster (bei Abb. 6 rechts). Auch der Salon war innen mit 3590 mm deutlich länger und für acht Personen eingerichtet. Anstelle der Konsole war ein kleiner rechteckiger Tisch getreten, zwei zusätzliche Sessel standen daneben. Im Endabteil befand sich keine Schlafgelegenheit, sondern nur ein kürzeres Toilettenabteil mit einem Abort an der einen und einem Waschtisch mit Zubehör an der anderen Längsseite. Dazwischen waren mittig an der Stirnseite ein Spiegel und darunter ein Handtuchhalter befestigt.

Bild Abb. 8.  Salonwagen A.3., Innenansicht,  Stirnfront, VAN IX M 64b
Abb. 8. Salonwagen A.3., Innenansicht, Stirnfront, VAN IX M 64b

Die Deckenlampen sind in dem offiziellen Verzeichnis von 1875 in gleichartiger Weise wie bei den Vorgängern dargestellt worden. Dass sie aber so nie ausgeführt worden sind zeigt neben dem Firmenfoto des neuen Wagens (Abb. 6) ein späterer Änderungseintrag in einem Plan des MAN Archivs vom Februar 1873 der da lautet: „3 gewöhnliche Laternen statt einer großen.“ Weitere nachträgliche Notizen geben einige Hinweise auf die Ausstattung. So steht im Begleiterabteil nachgetragen: „grüner Plüsch“ und „Wände dunkelgrün“, auf der Polsterbank im Salon: „mit Seidenrips überzogen“ und im Sanitärbereich: „Wände mit blauen Gobelins überzogen“ und „Spiegel bis zum Fußboden mit Sockel.“ Es waren aber auch die vier Sessel im Salon durchgekreuzt. Trotzdem sind diese Änderungen wie die der Lampen nicht in die Skizze des offiziellen Verzeichnisses aufgenommen worden.

Die oben abgebildete Werksaufnahme zeigt den Wagen im Ursprungszustand. Auf der dargestellten Seite befinden sich über dem Niveau des Wagenkastenbodens vier kleine Türchen, eines rechts am Begleiterabteil, die anderen beim Salon, wie es auch im Modell nachgebildet wurde.

Bild Abb. 9.  Salonwagen A. 3., 1874, Eigenbau
Abb. 9. Salonwagen A. 3., 1874, Eigenbau

Eine gleichartige Tür ist auf dem Plan des Staatsbahnverzeichnisses von 1888 (VAN) auf der anderen, dem Photo abgewandten Seite des Begleiterabteils ganz links dargestellt.

Bild Abb. 10.  Salonwagen A. 3., Seitenansicht 1888, VAN
Abb. 10. Salonwagen A. 3., Seitenansicht 1888, VAN

Diese Türchen befinden sich also immer an den Stellen, hinter denen sich innenseitig die fest eingebauten Sitzeinrichtungen befinden. Es muss sich um Zugänge zu Kästen handeln, mit „chemisch präparirten Kohle“. Eigenartigerweise zeigt bereits der Ostbahnplan unter allen festen Sitzgelegenheiten Einrichtungen für eine Dampfheizung. Im amtlichen Wagen­verzeichnis von 1897 (VAN) ist für das „Halbcoupee“ bzw. Begleiterabteil (nicht für den Salon) immer noch angemerkt: „außer Dampf- auch Briquettheizung“. Auch die Beleuchtung ist wie bereits erwähnt nicht wie im Plan gezeigt ausgeführt worden, wiederum ein Hinweis auf die Problematik zeitgenössischen Pläne.

Der Skizze von 1888 folgend war auch dieser Wagen im Inneren umgebaut worden. Besonders der Salon glich danach dem der beiden älteren Wagen. Leider ist meine Kopie unvollständig, zeigt aber doch das Wesentliche.

Bild Abb. 11.  Salonwagen A. 3., Grundriss 1888, VAN
Abb. 11. Salonwagen A. 3., Seitenansicht 1888, VAN

Die Toiletteneinrichtung ist völlig umgestaltet worden. Zusätzlich ist inzwischen mit Sicherheit eine Dampfheizung unter den Sofas installiert, sogar deren Regulierungshebel ist dargestellt.

Zum betrieblichen Einsatz wird hier angenommen, dass dieser Wagen in einem Schriftsatz von Anfang1876 angesprochen ist (unten fett hervorgehoben).6 In dem Schreiben geht es um die Beschaffung von Wagen für Seine Königliche Majestät Ludwig II., der für seine Incognito-Fahrten Salonwagen aus dem allgemeinen Bestand benützte: „(…) sondern auch die Wagen so zu konstruiren sind, daß sie auf allen Hauptlinien anstandslos verkehren können. Wir haben deßhalb insbesondere einen Radstand von nur 3,65 Meter angenomen, welcher den Durchgang der Wagen selbst über Eger ermöglicht. Hierdurch ist uns der weitere Vortheil erwachsen, daß wir für diese Route, für welche wir bis jetzt nur einen benützbaren Salonwagen hatten, einen zweiten erhalten, da der herzustellende neue Wagen so eingerichtet wird, daß er anstandslos für den allgemeinen Verkehr Verwendung finden kan.“ (KBE Nr. 19041). Das erklärt auch, dass später, zwischen 1891 und 1897 der Radstand dieses alten Ostbahnwagens, auf 4800 mm verlängert worden ist, nachdem er für die ursprünglich vorgesehenen Strecken nicht mehr benötigt wurde. Es gab es inzwischen besser geeignete dreiachsige Salonwagen und dann die ersten Drehgestellwagen.

Interessante betriebliche Angaben enthält eine „Instruktion“ d.h. Dienstanweisung aus dem Jahr 1863 7. Danach waren die Salonwagen A.1. in München und A.2. in Regensburg stationiert. Zu ihrem Einsatz war festgelegt worden: sie „sind zunächst für die Reisenden allerhöchster und höchster Persönlichkeiten bestimmt, können aber auch sonstigen Reisenden aus den höheren Gesellschaftskreisen zur Benützung überlassen werden.“ Für letztere Personengruppe war das aber nur möglich, wenn die Wagen nicht von höherrangigen Personen beansprucht wurden. Es war gestattet, die Salonwagen auch auf „fremden Bahnen“, also über den Bereich des Ostbahnnetzes hinaus zu benützen.

Bei der Miete eines Salonwagens mussten mindestens 12 Billets bzw. Fahrscheine 1.Klasse gekauft werden. Entsprechendes galt übrigens für fremde 2-achsige Salonwagen innerhalb des Netzes der Ostbahnen. Bei fremden dreiachsigen Salonwagen wurden 18, bei vierachsigen mindestens 24 Billets 1.Klasse verlangt.

Diese speziell für die beiden ersten Salonwagen ausgefertigte Instruktion hat mit Beginn des Jahres 1864 Gültigkeit erlangt, was aber nur Sinn macht, wenn die beiden Wagen dann bereits in den Dienst gestellt waren. Nachdem es schon Ende 1862 definitive Baupläne gegeben hat, fiel mit Sicherheit die entscheidende Bauphase und auch noch die Übernahme in das Jahr 1863. Die Ausmusterung der beiden ersten Ostbahn Salon­wagen erfolgte 1905 und auch der dritte erscheint nicht mehr im Verzeichnis von 1913.

Ein zweiter Typ von Luxuswagen war der sog. Terrassensalonwagen. In dem amtlichen bayer. Wagenverzeichnis von 1876 kann man einen der Generaldirektion zugeteilten Wagen abgebildet finden, der allerdings typische Baumerkmale der Ostbahnen aufweist. Er ist dort unter Ziffer 5 abgebildet und trägt in der Skizze, wie damals üblich, auch seine Nummer „18044“ (sic!). Es ist sogar die Angabe „Rev. 20/6 76 M“ am Längsträger wiedergegeben. Er war wie alle bahneigenen Hof- und Salonwagen in München stationiert.

Bild Abb. 12.  Terrassensalonwagen, Bauzustand 1876
Abb. 12. Terrassensalonwagen, Bauzustand 1876

An typischen Ostbahn Merkmalen kann man z.B. die stärkere Dachkrümmung, die Bauart der Lampen, die stärker gespreizten Achshalterstreben und v. a. die typischen Wagenkasten Abstützungen am Längsrahmen erkennen. Leider konnten keine Informationen über den Originalzustand des Wagens bzw. über bauliche Veränderungen gefunden werden. Auch taucht er im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder weder in den Verzeichnissen noch in irgendeiner Statistik der Ostbahnen auf was dafür spricht, dass es sich nicht um einen Wagen für den allgemeinen Verkehr gehandelt hat.

Nachfolgender Beschluss des Verwaltungsrates könnte einen Hinweis zur Entstehung des Wagens bieten, denn er hat „... in seiner Sitzung vom 5. März (1958) den einstimmigen Beschluß gefaßt, Seiner Majestaet dem Könige für die Fälle der Benützung der bayer. Ostbahnen eigene, Ihrer erhabenen Bestimmung angemessenen Wägen zur Verfügung zu stellen. Indem wir von diesem Beschlusse ehrerbietigste Anzeige erstatten, erlauben wir uns zugleich um allergnädigste Bescheidung zu bitten, ob es gestattet ist, Seiner Koeniglichen Majestaet die entsprechende Vorlage im Sinn des angedeuteten Beschlusses zu machen. 8 Eine Antwort ist nicht überliefert. Es fragt sich aber wie sinnvoll die Anschaffung solch teurer Wagen gewesen wäre, wo doch König Maximilian II abgesehen von Terrassenwagen bereits über genügend eigene Wagen verfügen konnte. Jener könnte schließlich als Ergänzung dieses Zuges in Betracht gezogen worden sein, nicht aber als eigentlicher Königswagen für den Bereich der Ostbahnlinien.
Dazu passt der 1859 erfolgte Beschluss des Verwaltungsrates „Seiner Majestaet dem Koenige die Bahn zur freien Disposition zu stellen“, „Herr Baron v. Rothschild benachrichtigte (…) von der huldvollen Annahme des Anerbieten.“ was heißen soll, dass er der König alle Linien der Ostbahnen gebührenfrei mit seinem Leibwagen benützen durfte. 9 So reiste z. B. König Maximilian am 28. Mai 1860 nach Regensburg um zwei Tage später wieder nach München zurückzukehren. Auf der Hinfahrt war sein Wagen in dem regulären Zug AV eingestellt worden, aber von Landshut aus fuhr „Seine Majestaet mit dem Königlichen Wagen und einer Extralokomotive als Extrazug dem Zug AV voraus“. 10

Die gezeichnete Wagennummer des Terrassenwagens gab anfangs Rätsel auf. Zwar wurden bei der Verstaatlichung der Ostbahn Gesellschaft deren Wagen in den Staatsbahn Nummernblock von 14001 bis 18301 eingereiht. Aber die fragliche Nummer war bereits für einen ebenfalls 1859 gebauten Wagen 3. Klasse mit Hausbremse vergeben. Jedenfalls ist der fragliche Wagen im amtlichen Wagenverzeichnis von 1897 unter Nummer 21 aufgeführt, und das war die frühere Nr. 19044. Damit ist es sicher, dass es sich um einen Fehler des Zeichners handelt.

Es ist verwunderlich, dass ein Wagen des Baujahres 1859 mitten unter Staatsbahnwagen des Baujahres 1876 eingereiht worden ist. Das angegebene Revisionsdatum weist darauf hin, dass im Jahre 1876 ein Umbau erfolgt ist, obwohl der Wagen danach immer noch viele Ostbahnbaumerkmale aufwies. Weil er zu Zeiten der Ostbahnen nie eine Nummer getragen hatte war es konsequent, dass mit der Verstaatlichung der neu aufgebaute Wagen außerhalb des Nummernblocks der Ostbahnwagen eingereiht worden ist.

Ein weiterer Terrassensalonwagen birgt noch mehr Rätsel. Im Ostbahnverzeichnis von 1875 ist als erstes ein „Terrassenwagen mit Salon“ ohne Gattungsbezeichnung und Nummer abgebildet, in einem Verzeichnis, welches gewissermaßen einen Katalog der vorhandenen Betriebsmittel darstellt.

Bild Abb. 13 Terrassensalonwagen 1875 (VAN  IX M 64b)
Abb. 13. Terrassensalonwagen 1875 (VAN IX M 64b)

Konstruktiv entspricht der Wagen mit seinem vollständig eisernen Untergestell den letzten BOB Bauserien und hat speziell mit dem Radstand von 4380 mit den jüngeren 1./2.-Klasse Wagen gemeinsam (nicht zu verwechseln mit dem Radstand von 4379m, den 60 Wagen der bayer. Staatsbahnen aufwiesen). Die Bremsung erfolgte mittels einer Spindelbremse. Er konnte bei den beiden offenen Endabteilen bestiegen werden, in denen je zwei Polstersessel standen. Sein Salon nahm gut ein Drittel der Wagenmitte ein. Er enthielt längsseitig die üblichen, gepolsterten Sitzbänke und in der Mitte ein Tischchen.
Der Wagen ist weder in der oben genannten Gesamtaufstellung aufgelistet noch konnten in den Sitzungsprotokollen des Verwaltungsrates Hinweise auf ihn gefunden werden und auch in den Staatsbahnverzeichnissen gibt es keine passende Abbildung. Nachdem ein nummerloser Wagen in der Aufstellung vom April 1893 zur Umnummerierung der Staatsbahnwagen nicht aufgeführt ist, wäre er besonders im Falle eines inzwischen erfolgten Umbaues kaum noch zu identifizieren. Die bequemste Lösung des Rätsels wäre es anzunehmen, der Wagen wäre nie gebaut worden, weil die Ostbahngesellschaft in der in Frage kommenden Phase bereits erheblichen betrieblichen Schwierigkeiten ausgesetzt war und unter dem Druck der drohenden Verstaatlichung stand. Dann wäre im Verzeichnis nur die Entwurfskizze abgebildet worden, genau so wie bei dem A.3. Wagen.


* Herr Dr. Johannes Wittmann, z. Z. in TaiWan tätig, hat mir wertvolle Hinweise gegeben, die einige Klarstellungen und Korrekturen zur Folge hatten. Außerdem habe ich weitere Pläne aufgefunden. Deshalb habe ich mich entschlossen, den ursprünglich in zwei Teilen erschienenen Artikel in einer stark revidierten Form zusammenzufassen.

Quellenachweis:

VAM = Verkehrsarchiv, München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv

VAN = Verkehrsarchiv, Nürnberg, DB-Museum

MAN = MAN Archiv, Augsburg

Literatur:

1: VAM 1804 04.01.1874 6: VAM 6904 25.02.1876
2: VAM 6904 09.09.1876 7: VAM 1061 ---.12.1863
3: VAM 1747 10.07.1872 8: VAM 6656 03.09.1858
4: VAM 1803 19.12.1873 9: VAM 1708 06.12.1859
5: VAM 1068 01.06.1874 10: VAM 1060 26.05.1860